Der Bastard
du dir erklären, was sie dort gemacht hat?»
Ubunta schüttelte den Kopf.
«Nein, damals nicht und heute nicht. Die einzige Erklärung, die ich habe, ist, dass jemand Hilfe brauchte. Jonathan und ich haben oft und lange da rüber gespr o chen. Aber es gab nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass sie einem Verbrechen zum O p fer gefallen ist. Es war alles noch da. Ihre Handtasche, mit Ausweisen und Geldbeutel. Und natürlich der Wagen selbst. Nur das Funkgerät fehlte. Aber wir haben alle angenommen, dass sie es mitgenommen hat, als sie den Wagen verließ.»
«Ist euch nie aufgefallen, was außer dem Funkg e rät noch fehlte?»
Ubunta sah sie verständnislos an.
«Es gab keinen Reservekanister mit Benzin, kein Wasser, kein Gewehr.»
«Das kann nicht sein.» Ubunta schüttelte ene r gisch den Kopf. «Das war immer im Wagen.»
«War es nicht. Ich habe mir die Bilder angesehen. Keine Spur von diesen drei Sachen.»
«Das kann einfach nicht sein.»
Pia war überzeugt, dass Anna in Nakuru ihren Mörder getroffen hatte. Wer war es, der im Haus gesessen und gewartet hatte, dass Anna kam? Es war ein gesichtsloser Schatten, der in Pias Vorstellung durch das Haus wanderte. In seinem Kopf ein Plan, der nur darauf wartete, in die Tat umgesetzt zu werden. Ein g e sichtsloser Schatten, der dreizehn Jahre später Henrys Kopf unter Wasser drücken würde, bis sein kleiner Körper sich nicht mehr rührte.
«Gibt es irgendeinen Anhaltspunkt, mit wem sie sich getroffen hat? Jemand, den sie kannte, oder ein Fremder?»
«Es tut mir leid, Pia, aber ich weiß es einfach nicht. Warum fragst du das alles?»
Pia berichtete von ihrer Entdeckung, ihrer Schlussfolgerung, und schließlich erzählte sie Ubunta von A n fang an, wie sie erfahren hatte, wer Henry war, und von den folgenden Gesprächen.
«Ich kann nicht verstehen, warum uns das nicht aufgefallen ist. Ich musste mich um das Baby kümmern. Jonathan war ständig unterwegs. Wer sollte Anna u m gebracht haben? Ich hoffe, du hast nicht Jon im Ve r dacht.»
«Wäre es möglich?»
Ubunta schüttelte energisch den Kopf. «Er ist mein Sohn. Es gab überhaupt keinen Grund dazu. Du kannst ihn fragen. Es steht mir nicht zu, für ihn zu antworten.»
Es hatte keinen Sinn weiterzubohren. Ubunta würde nicht ihren Sohn in Verdacht bringen, Anna umgebracht zu haben. Pia hatte zwar nicht alles erfahren, was sie wollte. Sie wusste nun aber, dass ihre Schwe s ter sich freiwillig auf den Weg gemacht hatte. Sie hatte jemanden in ihrem Haus getroffen. Und dieser Jemand hatte zwischen Deutschland und Na i robi seinen Koffer verloren.
Oder Ubunta log.
29
M aximilian Sibelius hatte keinen überzeugenden Eindruck auf Kilian gemacht. Wie konnte es sein, dass Sibelius nichts von einer Schwangerschaft seiner Ehefrau gewusst haben wollte? Sicher, es gab Fälle, bei denen es Frauen geschafft hatten, Nachbarn und Freunde bis hin zur Geburt zu täuschen. Aber konnte das auch beim eigenen Ehemann gelingen? Kaum vorstellbar.
Sibelius hatte ihn belogen und wahrscheinlich se i ne Familie ebenso. Wieso tat er das?
Kilian saß im Auto vor der Wohnung Sibelius ’ , als ein Anruf einging. Er griff zum Handy.
«Hast du schon mit Maximilian Sibelius gesprochen?», fragte Heinlein.
«Ja. Er will nichts von der Schwangerschaft seiner Frau gewusst haben.»
«Glaubst du ihm?»
«Nein, er lügt.»
«Das deckt sich mit dem, was mir Kingsley erzählt hat. Maximilian Sibelius hat, laut seiner Aussage, Henry zur Adoption freigegeben.»
«Wann soll er das gemacht haben?»
«Kurz nach dem Verschwinden von Anna.»
«Aber sie wurde doch erst ein paar Jahre danach offiziell für tot erklärt.»
«Sibelius soll noch nicht mal das Kind gesehen haben, sagt Kingsley. Ein paar Tage nach der Geburt haben sie sich in Kenia getroffen und die Papiere unterschrieben.»
«Steht fest, wann genau Maximilian Sibelius in Kenia war?»
«Kingsley wollte sich nicht festlegen. Kannst du das noch überprüfen?»
«Fragt sich nur, wie. Das ist über dreizehn Jahre her.»
«Lass dir was einfallen. Wie sieht es mit seinem Alibi aus?»
«Er will den ganzen Abend allein in seiner Wohnung gewesen sein.»
«Hast du die Nachbarn schon befragt?»
«Mach ich noch, wenngleich ich mir nicht viel davon verspreche. In diesem Haus ist alles wie geleckt, fast schon steril. Ich vermute, dass die Nachbarn keinen großen Kontakt miteinander haben.»
«Probier es trotzdem. Ach ja, noch was. Sabine hat sich über den Sibelius-Clan schlaugemacht.
Weitere Kostenlose Bücher