Der Bastian
und auch noch die Schuld daran trug...! Darüber käme sie nicht hinweg.
Sie gingen zum Fahrstuhl. Als der Lift kam,
waren schon zwei Ärzte drin.
»Das freut mich aber, daß ich Sie noch sehe«,
sagte Martha Guthmann, »da kann ich mich ja gleich von Ihnen verabschieden . •
• Was ist denn?« fragte sie ärgerlich nach links, wo Bastian stand und sie
zwickte.
»Nicht einladen!«
Der Lift hielt im Erdgeschoß. Die Verabschiedung
zwischen Großmutter und den Ärzten fiel unendlich herzlich aus.
Beim Weitergehen fragte der eine den anderen:
»Kennst du die?«
»Nein. Du?«
»Nie gesehen.«
Aber so war Großmutter nun mal. Ehe sie einen
vergaß, schüttelte sie lieber zwei Fremden die Hände aus dem Gelenk. Dann hatte
sie Streit mit Bastian, weil er ein Taxi holen wollte. »Solche Verschwendung,
wir fahren mit der Tram.«
Als sie aber feststellte, daß er selber Taxi
fuhr, hatte sie sofort Pläne. »Fahr beim Friedhof vorbei, deinen Großvater
gießen.«
Bastian stand vor seinem Kleiderschrank und zog
alle hineingeknüllten Hemden aus ihm heraus; er besah sich die angeschmuddelten
Kragen einen nach dem anderen, auf der Suche nach dem, der den saubersten
Eindruck machte. Mitten in diese Entscheidung hinein schellte die Türklingel.
Auch das noch. Bastian öffnete.
Aus dem Halbdunkel des Treppenflurs trat ein
hochgewachsener, schöner, naturlockiger Mann auf ihn zu, ein deutscher Achill
im Sportsakko, mit Krawatte und der Selbstzufriedenheit der kaufmännisch
Erfolgreichen.
»Klappzahn«, sagte Bastian und spürte, wie sich
ihm das Gefieder sträubte. »Was willst denn du? Ich kann dich nicht gebrauchen,
ich hab’ was vor. Na, komm schon ‘rein, aber nur fünf Minuten. Hast du ein
Anliegen, ja? Hat unsere liebe Mutter geschrieben, daß du nach mir schauen
sollst, ob auch was Ordentliches aus mir wird, ja?« Und ehe sein Bruder
antworten konnte: »Bestell ihr schöne Grüße, es geht mir gut. Für meine
Klausuren habe ich fleißig studiert. Nun muß ich mich in Geduld üben, denn vor
Mitte August ist das endgültige Ergebnis nicht zu erwarten.«
Sie waren ins Zimmer gegangen. Bastian hob zwei
der herumliegenden Hemden auf und hielt sie seinem Bruder zur Begutachtung hin.
»Welches von beiden ist das sauberste?«
Karl Guthmann sah staunend hin. »Sagtest du
>sauber«
»Dann muß ich mir doch noch eins kaufen.«
»Jetzt«, fragte Karl, »zehn vor sieben?«
»Was mache ich denn da?«
Bastian guckte sich im Schrank und auch im
Zimmer um, sah zerknautschte und seekrank über Stuhllehnen hängende Hemden mit
kraftlos baumelnden Armen, sah seinen Bruder an: Das einzig saubere, tadellos
gebügelte, elegant gestreifte Hemd in diesem Raum hatte Karl F. Guthmann an.
»Karli«, sagte Bastian, »du bist doch mein
Bruder.«
Karl trat einen mißtrauischen Schritt zurück.
»Wir haben uns immer gut verstanden.«
»Wir?« fragte Karl überrascht. »Wann war denn
das?« Und wehrte Bastians Hände ab, die nach seinem Hals griffen. »Was willst
du denn? Faß mich nicht an. Ja spinnst du?«
Es war das erstemal, daß Karl Guthmann Schlips
und Jackett auf der bloßen Haut trug, und das am Steuer seines Porsche. Es war
das erstemal, daß Bastian ein elegantes Qualitätshemd trug. Am Hals stand es
zwar ein wenig ab, weil Karli stärker war als er, aber es kleidete ihn
entzückend. Fanden beide.
Sie fuhren an der Isar entlang und dann die
Maximilianstraße hinunter. Kurz vor der Oper sagte Bastian: »Halt hier an, ich
geh’ das letzte Stück zu Fuß.«
»Warum?« sagte Karl. »Ich kann dich doch
bringen.«
»Nein«, sagte Bastian und zog die Handbremse an.
»Immer willst du meine Mädchen haben. Such dir selber welche.« Er stieg aus.
Karl grinste. »Du hast wohl Angst?«
»Ja«, sagte Bastian. »Weil du nämlich genau der
Typ bist, der zu ihr passen würde, und genau das möchte ich vermeiden. Servus.«
Die Wagentür fiel zu. »Schönen Dank fürs Bringen.«
»Was ist mit meinem Hemd?«
»Bald«, rief Bastian hinter sich und lief davon.
Karl Guthmann fuhr ihm langsam nach. Sah, wie
sein Bruder auf ein altes Karmann-Ghia-Cabrio zusteuerte.
Katharina Freude hatte ein blaues Kleid mit
großen weißen Punkten an und einen gestärkten Bubikragen um den Hals. Sie sah aus
wie ein Kind am Sonntag.
»Warten Sie schon sehr lange?« fragte Bastian
auf sie nieder. »Ümüm. Ich bin grad erst gekommen.«
»Schön, daß Sie gekommen sind«, sagte er und
stieg ein. Ein grüner Porsche fuhr langsam an ihnen
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