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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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glaube. Und schließlich erklärte sie, die Religion sei für die meisten Menschen unbedingt notwendig. Sie betrachtete sie als eine Polizei, die die Ordnung aufrechterhalten helfe und ohne die keine Regierung möglich sei. Wenn Gavard die Dinge in diesem Thema zu weit trieb und die Meinung vertrat, die Pfaffen müßten rausgeschmissen und ihre Buden geschlossen werden, zuckte sie die Achseln und entgegnete: »Da würden Sie viel erreicht haben! – Nach einem Monat würde man sich in den Straßen hinschlachten und sich genötigt sehen, einen anderen lieben Gott zu erfinden. Im Jahre siebzehnhundertdreiundneunzig ist es ja auch so gewesen … Sie wissen, nicht wahr, daß ich nicht zu den Pfaffen halte, aber ich meine, man braucht sie, weil man sie braucht.«
    Deshalb zeigte sich Lisa, wenn sie in eine Kirche ging, gesammelt. Um Trauungen und Begräbnissen beizuwohnen, hatte sie sich ein schönes Gebetbuch gekauft, das sie niemals aufschlug. Sie erhob sich und kniete nieder, wo es angebracht war, bemühte sich, die würdige Haltung zu wahren, die sie für passend hielt. Das war für sie eine Art offiziellen Verhaltens, das die ehrbaren Leute, die Kaufleute und Hausbesitzer, vor der Religion zu wahren hatten.
    Als die schöne Fleischersfrau an diesem Tag die Kirche SaintEustache betrat, ließ sie die von den Händen der Gläubigen abgegriffene, mit verblichenem grünem Tuch ausgeschlagene Doppeltür zurückfallen. Sie tauchte die Finger in den Weihwasserkessel und bekreuzigte sich vorschriftsmäßig. Dann ging sie mit gedämpftem Schritt zur Kapelle der heiligen Agnes, wo zwei Frauen, das Gesicht in den Händen, knieten und warteten, während das blaue Kleid einer dritten aus dem Beichtstuhl heraussah. Sie schien verdrossen und wandte sich an einen vorbeischlurfenden Kirchendiener im schwarzen Käppchen:
    »Herr Abbé Roustan nimmt doch heute die Beichte ab?« fragte sie.
    Er antwortete, der Herr Abbé habe nur noch zwei Beichtkinder, es werde nicht lange dauern, und wenn sie Platz nehmen wolle, käme sie gewiß gleich an die Reihe.
    Sie dankte, ohne zu sagen, daß sie nicht beichten kam. Sie entschloß sich zu warten und ging mit kleinen Schritten auf den Fliesen bis zum großen Portal, von wo sie das völlig kahle, hohe und strenge Mittelschiff zwischen den in lebhaften Farben gemalten Seitenschiffen betrachtete. Sie hob ein wenig das Kinn; sie fand den Hochaltar zu schlicht, fand keinen Geschmack an dieser kalten Großartigkeit von Stein und zog die Vergoldungen und das bunte Farbengemisch der Seitenkapellen vor. Auf der Seite der Rue du Jour blieben diese Kapellen grau, weil die verstaubten Fenster sie nur wenig erhellten, während auf der Seite der Markthallen der Sonnenuntergang die bunten Scheiben der hohen Fenster entzündete, die belebt wurden von sehr zarten Farbtönen, von grünen und gelben vor allem, und die so durchsichtig waren, daß sie an die Likörflaschen vor Herrn Lebigres Spiegelwand erinnerten. Sie ging auf dieser Seite, die von dem glutenden Licht wie erwärmt zu sein schien, zurück und wurde einen Augenblick angezogen von den Reliquienschreinen, den Altaraufsätzen, den im Widerschein gebrochenen Lichts geschauten Malereien. Die Kirche war leer, ganz durchschauert vom Schweigen ihrer Gewölbe. Einige Frauenröcke bildeten düstere Flecke im Verbleichen der Reliquienschreine; und aus den geschlossenen Beichtstühlen drang Geflüster. Als sie wieder an der Kapelle der heiligen Agnes vorüberkam, sah sie das blaue Kleid immer noch zu den Füßen des Abbé Roustan.
    Ich wäre in zehn Sekunden fertig, wenn ich wollte, dachte sie mit dem Hochmut ihrer Ehrbarkeit.
    Sie ging in den Hintergrund. Hinter dem Hochaltar liegt im Schatten der doppelten Reihe der Pfeiler, ganz feucht vor Schweigen und Düsternis, die Kapelle der Heiligen Jungfrau. In den sehr dunklen Kirchenfenstern hoben sich nur die Heiligengewänder ab mit breiten roten und violetten Bahnen, die wie Flammen mystischer Liebe in der Andacht, in der stummen Anbetung des Dunkels brannten. Es war ein Winkel des Mysteriums, ein dämmeriger Hintergrund des Paradieses, in dem die Sterne der beiden Kerzen glänzten und die vier von der Gewölbedecke herunterhängenden, kaum sichtbaren Kronleuchter an goldene große Weihrauchgefäße denken lassen, die die Engel am Lager Marias schwingen. Ständig weilen hier zwischen den Pfeilern Frauen, die vor Wonne auf umgedrehten Stühlen vergehen und ganz versunken sind in diese schwarze Wollust.
    Lisa stand

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