Der Bauch von Paris - 3
kniff die Lippen zusammen, war schöner noch als sonst, mit Löckchen frisiert, den tückischen Kopf ein wenig gesenkt, die zu rosigen Hände auf dem Weiß der großen Schürze. Niemals hatte er soviel Schmuck an ihr gesehen: sie trug lange Ohrringe, eine Halskette, eine Brosche und Reihen von Ringen an zwei Fingern der linken und an einem Finger der rechten Hand.
Da sie nicht antwortete und immer noch etwas gegen ihn im Schilde zu führen schien, wiederholte er:
»Hören Sie, lassen Sie diesen Rochen verschwinden.«
Aber er hatte Mutter Méhudin nicht bemerkt, die zusammengesackt auf einem Stuhl in einer Ecke saß. Sie erhob sich mit den Zipfeln ihres Kopftuches, und, sich mit den Fäusten auf den Marmortisch stützend, sagte sie unverschämt:
»Sieh mal einer an, warum sollte sie den Rochen denn wegwerfen? Sie bezahlen ihn ihr doch bestimmt nicht!«
Florent begriff. Die anderen Händlerinnen grinsten. Er fühlte eine dumpfe Empörung rings um sich, die auf ein Wort wartete, um loszubrechen. Er hielt an sich und zog selber unter der Bank den Abfalleimer hervor und ließ den Fisch hineinfallen. Schon stemmte Mutter Méhudin die Fäuste in die Hüften; aber die schöne Normande, die nicht den Mund aufgemacht hatte, lachte erneut kurz und boshaft auf, und Florent ging unter dem Gejohle mit ernster Miene weiter und tat, als höre er nichts.
Jeden Tag dachten sie sich etwas Neues aus. Der Aufseher schritt nur noch mit spähendem Auge die Gänge ab wie in Feindesland. Spritzer aus Schwämmen trafen ihn. Er fiel beinahe über Abfälle, die man vor seinen Füßen ausbreitete. Träger stießen ihn mit ihren Körben in den Nacken. Eines Morgens, als sich zwei Händlerinnen herumstritten und er, um eine Schlägerei zu verhindern, herbeigeeilt war, konnte er sogar nur dadurch, daß er sich bückte, vermeiden, von einem Regen kleiner Klieschen, die über seinem Kopf hinwegflogen, auf beide Wangen gebackpfeift zu werden. Es wurde viel gelacht, und er glaubte jedenfalls, daß die beiden Händlerinnen mit den Méhudins unter einer Decke steckten. Sein früherer Beruf als armseliger Lehrer hatte ihn mit einer Engelsgeduld gewappnet. Er verstand es, schulmeisterliche Kaltblütigkeit zu bewahren, wenn die Wut in ihm hochstieg und sein ganzes Wesen vor Erniedrigung blutete. Aber niemals hatten die Lausbuben der Rue de l’Estrapade über diese Marktfrauenroheit verfügt, über diese Verbissenheit ungeheurer Weiber, deren Bäuche und Brüste vor Riesenfreude hüpften, wenn er sich in irgendeiner Falle fangen ließ. Ihre roten Gesichter stierten ihn an. In dem pöbelhaften An und Abschwellen der Stimmen, den hohen Hüften, den aufgeblähten Hälsen, dem Wackeln der Schenkel, der Verwahrlosung ihrer Hände ahnte er eine an ihn gerichtete ganze Woge von Unflätigkeiten. Inmitten dieser schamlosen und streng riechenden Röcke wäre Gavard vor wonnigem Behagen vergangen, ohne weiteres bereit, ihnen rechts und links die Hinterbacken zu versohlen, wenn sie ihm zu nahe auf den Leib gerückt wären. Florent, den Frauen immer schüchtern machten, kam sich allmählich verloren vor in einem Alptraum von Huren mit ungeheuren Reizen, die ihn in einen beunruhigenden Reigen mit ihren heisernen Stimmen und ihren nackten Ringkämpferarmen umgaben.
Dennoch hatte er unter diesen losgelassenen Weibsbildern eine Freundin. Claire erklärte rundheraus, der neue Aufseher sei ein braver Mann. Wenn er unter den Schimpfworten der Nachbarinnen vorüberging, lächelte sie ihm zu. Mit Strähnen blonder Haare im Nacken und auf den Schläfen und verkehrt zugehaktem Kleid saß sie nachlässig hinter ihrem Stand. Öfter sah er sie dastehen, die Hände tief in den Fischbecken, die Fische in andere Behälter tun und sich damit vergnügen, an den kleinen kupfernen Delphinen zu drehen, die aus ihren Mäulern einen Wasserstrahl schleuderten. Dieses Geriesel verlieh ihr die fröstelnde Anmut einer Badenden am Rand eines Quells, die sich noch nicht wieder richtig angezogen hat.
Eines Morgens war sie besonders liebenswürdig. Sie rief den Aufseher heran, um ihm einen überaus dicken Aal zu zeigen, der bei der Auktion die Bewunderung des ganzen Marktes erregt hatte. Sie hob das Gitter hoch, mit dem sie vorsichtshalber den Behälter geschlossen hielt, auf dessen Boden der Aal zu schlafen schien.
»Passen Sie auf, Sie werden gleich sehen«, sagte sie. Sacht steckte sie ihren nackten Arm ins Wasser, einen etwas mageren Arm, dessen seidige Haut das zarte Blau der Adern sehen
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