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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ließ. Als sich der Aal berührt fühlte, schlängelte er sich in schnellen Windungen um sich selbst und erfüllte den engen Trog mit dem grünlichen Schimmern seiner Ringe. Und sobald er wieder eingeschlafen zu sein schien, machte sich Claire das Vergnügen, ihn mit der Spitze der Fingernägel von neuem zu reizen.
    »Er ist riesig«, glaubte Florent sagen zu müssen. »Einen so schönen Aal habe ich selten gesehen.«
    Sie gestand ihm, daß sie sich zuerst vor den Aalen gefürchtet habe. Jetzt wisse sie, wie man zufassen müsse, damit sie nicht entwischen konnten. Und einen von ihnen, einen kleineren, packte sie an der Seite. Der Aal wand sich an beiden Enden ihrer geschlossenen Faust. Das brachte sie zum Lachen. Sie warf ihn wieder zurück, ergriff einen anderen, durchwühlte den Behälter und rührte mit ihren schlanken Fingern in diesem Schlangenhaufen.
    Dann plauderte sie ein Weilchen vom Geschäft, das nicht ging. Die herumziehenden Händler auf dem Pflaster der überdachten Straße fügten ihnen großen Schaden zu. Ihr nackter Arm, den sie nicht abgetrocknet hatte, troff frisch von der Frische des Wassers. Von jedem Finger fielen große Tropfen.
    »Ah«, sagte sie plötzlich, »ich muß Ihnen auch noch meine Karpfen zeigen.«
    Sie hob ein drittes Gitter hoch, und mit beiden Händen holte sie einen Karpfen heraus, der mit dem Schwanz schlug und nach Luft schnappte. Aber sie suchte einen weniger dicken; den konnte sie mit einer Hand festhalten, die das Wehen der Flanken jedesmal, wenn er nach Luft schnappte, ein wenig öffnete. Sie verfiel darauf, ihren Daumen einmal in das aufgerissene Maul zu stecken.
    »Der beißt nicht«, flüsterte sie mit ihrem leisen Lachen, »der ist nicht bösartig … Das ist wie mit den Krebsen, vor denen habe ich keine Angst.«
    Schon war ihr Arm wieder eingetaucht und holte aus einem Behälter voll wirren Gewimmels einen Krebs heraus, der ihren kleinen Finger zwischen seine Scheren genommen hatte. Sie schüttelte ihn einen Augenblick, aber das Tier kniff sie zweifellos zu heftig, denn sie wurde ganz rot und brach ihm mit einer raschen Handbewegung das Bein, ohne zu lächeln aufzuhören.
    »Einem Hecht zum Beispiel«, meinte sie, um ihre Erregung zu verbergen, »würde ich nicht trauen. Er würde mir die Finger wie mit dem Messer abhacken.« Und sie wies auf große Hechte, die der Größe nach neben bronzefarbenen Schleien und kleinen Haufen von Gründlingen auf peinlich sauber gescheuerten Brettern ausgebreitet lagen. Jetzt waren ihre Hände vom Schleim der Karpfen ganz schmierig geworden; in der Nässe der Fischbecken stehend, spreizte sie die Hände über den feuchten Fischen der Auslage. Man hätte meinen können, sie sei eingehüllt in einen Laichgeruch, in einen jener stickigen Gerüche, die aus Schilf und schlammigen Seerosen aufsteigen, wenn die Eier die Bäuche der vor Liebe selig in der Sonne vergehenden Fische zum Platzen bringen. Sie trocknete sich die Hände an der Schürze ab und lächelte immer noch mit ihrer gelassenen Miene eines großen Mädchens, dessen Blut zu Eis erstarrt war in diesem Schauer kalter und fader Wollust der Flüsse.
    Claires Zuneigung war ein spärlicher Trost für Florent. Sie trug ihm noch schmutzigere Späße ein, wenn er stehenblieb, um mit dem jungen Mädchen zu plaudern. Sie selber zuckte die Achseln und erklärte, ihre Mutter sei eine alte Vettel und ihre Schwester sei nicht viel wert. Die Ungerechtigkeit des Marktes gegenüber dem Aufseher brachte sie außer sich vor Zorn. Der Krieg ging jedoch weiter, grausamer mit jedem Tag. Florent erwog, die Stellung aufzugeben. Keine vierundzwanzig Stunden wäre er geblieben, wenn er sich nicht gefürchtet hätte, vor Lisa als Feigling zu erscheinen. Er machte sich Sorgen, was sie sagen, was sie denken mochte. Unvermeidlicherweise war sie über diese heftige Fehde zwischen den Fischweibern und ihrem Aufseher im Bilde, denn der Lärm davon erfüllte die dröhnenden Markthallen, und jeder neue Streich wurde im ganzen Viertel unter endlosen Erläuterungen beurteilt.
    »Ich würde es schon übernehmen, sie wieder zur Vernunft zu bringen«, sagte sie abends oft nach dem Essen. »Alles Weiber, die ich nicht mit den Fingerspitzen berühren möchte, Lumpenpack, Schlampen! Diese Normande ist die Schlimmste der Schlimmen … Wahrhaftig, ich würde sie auf die Knie zwingen, ich! Da hilft nur noch Gewalt, verstehen Sie, Florent. Mit Ihren Ideen sind Sie auf dem Holzwege. Lassen Sie es auf einen Gewaltstreich

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