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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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denn gekostet? Man sieht ja, daß du das auf dem Rücken liegend verdienst.«
    »Na klar, die geht auf den Strich an der Ecke der Rue Mondétour!«
    Florent, der den Marktwächter holen gegangen war, kam an, als der Streit am heftigsten war. Die ganze Halle war tatsächlich in Aufruhr. Die Händlerinnen, die schrecklich eifersüchtig aufeinander sind, wenn es darum geht, einen Hering für zwei Sous zu verkaufen, halten wunderbar zusammen gegen die Kundschaft. Sie sangen: »Die Bäckersfrau, die hat Dukaten, die ihr kaum was kosten taten«, trampelten mit den Füßen und reizten die Méhudins wie Tiere, die man zum Zubeißen aufhetzt; und am anderen Ende des Ganges stürzten welche aus ihren Ständen, als wollten sie dem kleinen Dienstmädchen an den Haarknoten springen, das wie verloren dastand, ertränkt und hin und her gewälzt in diesen ungeheuerlichen Beschimpfungen.
    »Geben Sie dem Fräulein die zehn Francs zurück«, sagte Florent streng, der über die Angelegenheit im Bilde war.
    Aber Mutter Méhudin war in Fahrt.
    »Du, mein Kleiner, ich werde dir … Paß auf, wie ich der die zehn Francs zurückgebe!« Und mit voller Wucht schleuderte sie den Butt der Auvergnatin an den Kopf und traf sie mitten ins Gesicht. Blut lief ihr aus der Nase, der Butt löste sich, fiel auf die Erde, wo er mit dem Geräusch eines nassen Scheuerlappens zerklatschte.
    Diese Roheit brachte Florent außer sich. Ängstlich wich die schöne Normande zurück, als er sie anschrie:
    »Ich setze Sie für eine Woche auf die Straße! Ich werde Ihnen die Handelserlaubnis entziehen lassen, verstehen Sie!«
    Da hinter seinem Rücken gejohlt wurde, drehte er sich mit so drohender Miene um, daß die Fischfrauen gebändigt waren und unschuldig taten. Als die Méhudins die zehn Francs zurückgegeben hatten, zwang er sie, sofort den Verkauf einzustellen. Die Alte erstickte fast vor Wut. Die Tochter war ganz bleich und verhielt sich stumm. Sie, die schöne Normande, von ihrem Stand verjagt! Claire sagte mit ihrer ruhigen Stimme, daß ihnen ganz recht geschehen sei, weswegen sich die beiden Schwestern am Abend bei sich zu Hause in der Rue Pirouette beinahe in die Haare gerieten. Als nach acht Tagen die Méhudins wiederkamen, blieben sie vernünftig, sehr verkniffen, sehr einsilbig in ihrer kalten Wut. Übrigens fanden sie die Halle beruhigt und zur Ordnung zurückgekehrt wieder. Von diesem Tage an mußte die schöne Normande einen furchtbaren Rachegedanken hegen. Sie fühlte, daß dieser Schlag von der schönen Lisa ausging. Am Tage nach der Schlägerei war sie ihr begegnet, wie sie den Kopf so hoch trug, daß die Fischhändlerin schwor, ihr diesen triumphierenden Blick teuer heimzuzahlen. Endlose geheime Zusammenkünfte fanden mit Fräulein Saget, Frau Lecœur und der Sarriette in den Winkeln der Markthallen statt; aber als sie der Räubergeschichten über die Schamlosigkeiten Lisas mit ihrem Vetter und über die Haare, die man in Quenus Bratwürsten fand, überdrüssig waren, konnte das weder weiterführen noch ihr kaum Erleichterung verschaffen. Sie suchte etwas ganz Boshaftes, das ihre Rivalin ins Herz treffen würde.
    Ihr Kind wuchs ungebunden inmitten des Fischmarktes auf. Seit seinem dritten Jahre saß es auf einem Stück Lumpen mitten in den Seefischen. Es schlief brüderlich neben den großen Thunfischen; es erwachte unter Makrelen und Weißlingen. Der Schlingel roch nach Heringstonne, daß man hätte meinen können, er käme aus dem Bauch irgendeines großen Fisches. Wenn seine Mutter den Rücken gewandt hatte, war es lange Zeit sein Lieblingsspiel, Mauern und Häuser aus Heringen zu bauen. Er spielte auch Krieg, indem er Reihen von Knurrhähnen auf dem Marmortisch einander gegenüber aufstellte, sie vorschob, sie mit den Köpfen zusammenstieß, Trommeln und Trompeten mit den Lippen nachahmte und sie schließlich wieder auf einen Haufen legte und dabei sagte, daß sie tot seien. Oder er strich um Tante Claire herum, um von den Karpfen und Hechten, die sie ausnahm, die Schwimmblasen zu bekommen. Er legte sie auf den Erdboden und ließ sie platzen, das begeisterte ihn. Mit sieben Jahren rannte er durch die Gänge, verkroch sich zwischen die zinkbeschlagenen Holzkästen unter den Ständen und war der verwöhnte Lausejunge der Fischfrauen. Wenn sie ihm irgend etwas Neues zeigten, das ihn entzückte, patschte er die Hände zusammen und stammelte hingerissen: »Oh, das ist aber kein Murks!« Und der Name Murx war ihm geblieben. Murx hier, Murx da.

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