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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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wurde von Priesterinnen verehrt, die zumeist Gattinnen von Noblen aus der Provinz waren.
    Auf Techats Schiff, mit dem sie zu der Grotte der Göttin fuhren (zum Speos Artimidos in der Nähe von Beni Hassan), genoss Iker die frische Luft und den angenehmen Wind. Für ihn gehörte es einfach mit zu den größten Vergnügungen, auf dem Nil zu segeln. Eine Weile überlegte sich Iker, ob er seine Reise beenden und sich hier in dieser Provinz niederlassen sollte, um seine Ruhe zu haben. Doch dann bestürmten ihn wieder die offenen Fragen wie einen Verdurstenden, für den Trinken lebensnotwendig wurde. Nein, die Ereignisse, die über ihn hereingebrochen waren, bedeuteten sehr wohl etwas. Er musste sie nur richtig deuten und das Geheimnis seines Schicksals entschlüsseln.
    Das Boot legte in gehörigem Abstand zu einem prächtigen Ebenholzbaum an, hinter dessen Ästen sich der Eingang zur Grotte verbarg.
    »Berühre ja nicht diesen Baum«, riet ihm Techat. »In seinem Geäst versteckt sich oft die Gepardin oder eine andere Verkörperung der Göttin. Sie stürzt sich auf jeden, der die Beschwichtigungsformeln nicht kennt.«
    »Wie kann man sie denn lernen?«
    »Du bist aber ziemlich neugierig!«
    »Sagt mir wenigstens, welche Rolle Pachet spielt.«
    Dieser Junge ist ganz eindeutig aus einem anderen Holz geschnitzt als die meisten seiner Altersgenossen, dachte Techat.
    »Diese Göttin beherrscht die zerstörerischen Feuer und kann sich in eine Schlange verwandeln, die sich auf die Feinde der Sonne stürzt, um zu verhindern, dass sie ihr schaden. Wenn sie sie erblicken, ist es bereits zu spät. Aber sie hat nicht nur die Aufgabe, siegreich für das Sonnenlicht zu kämpfen.
    Mit ihrer magischen Kraft sorgt sie für die rechtzeitige Rückkehr des Nil-Hochwassers, das so wichtig ist für das Wohlergehen des ganzen Landes.«
    »Und wie macht sie das?«
    »Glaubst du nicht, dass du jetzt zu weit gehst, Iker?«
    »Ich gehe so weit, wie Ihr es mir gestattet.«
    »Nennen wir es so – sie ist die Verbündete von Osiris –, mehr darfst du mich nicht fragen. Gib dich damit zufrieden, dass du zusehen kannst, und verhalte dich ruhig.«
    Egal ob Techat etwas wusste, was sie nicht sagen wollte, oder nichts wusste und nur so tat als ob – für Iker spielte das keine Rolle, weil immer das Gleiche dabei herauskam: Sie fühlte sich belästigt und würde keine einzige weitere Erklärung abgeben.
    Der junge Mann schützte seine Herrin mit einem rechteckigen Schirm aus weißem Leinen vor der Sonne.
    Dann trat eine ältere Priesterin aus der Grotte.
    »Die Himmelstore mögen sich öffnen und die göttliche Macht glorreich sichtbar werden lassen.«
    Nun verließen vier andere Priesterinnen die Grotte und verneigten sich vor der ersten. Ihre Haare waren zu einer merkwürdigen Frisur, die an die weiße Pharaonenkrone erinnerte, straff nach hinten gekämmt. Sie trugen einen kurzen Lendenschurz mit Trägern, die ihre Brüste bedeckten.
    »Hier kommen die vier Himmelswinde«, erklärte die Oberpriesterin. »Mögen sie gebändigt werden, damit der Reichtum des Landes gesichert ist. Das hier ist der Nordwind, er ist kühl und belebend.«
    Das erste junge Mädchen begann einen langsamen, feierlichen Tanz, und Iker war von der Schönheit ihrer Bewegungen hingerissen.
    »Nun kommt der Ostwind, der die himmlischen Tore öffnet, der dem göttlichen Licht den Weg ebnet und Zugang zum jenseitigen Paradies verschafft.«
    Die zweite Tänzerin war genauso geschmeidig. Auch sie machte nicht den kleinsten Fehler, folgte einem bezaubernden Rhythmus.
    »Hier nun der Westwind, der aus dem Schoß des Einzigartigen stammt, als das Zweifache noch nicht erschaffen war. Er taucht aus dem auf, was jenseits des Todes liegt.«
    Die dritte Tänzerin übertraf ihre beiden Vorgängerinnen bei weitem. Als wäre sie ganz durchdrungen von der spirituellen Botschaft, die sie darstellte, zeigte sie eine Choreographie, die noch dramatischer und anspruchsvoller war als die der anderen beiden. Einige ihrer Figuren verwiesen auf den Kampf gegen den Tod und den Willen, ihn zu besiegen.
    »Zum Schluss kommt nun der Südwind, der das wiederbelebende Wasser mit sich bringt und für neues Wachstum sorgt.«
    Im ersten Moment dachte Iker, er hätte sich von einer frappierenden Ähnlichkeit täuschen lassen.
    Doch dann sah er sich das Gesicht der jungen Priesterin noch einmal ganz genau an, die sich unvergleichlich anmutig bewegte. Ihr ganzes Wesen strahlte das starke Licht des wiedergeborenen

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