Der Bedrohung so nah (German Edition)
sein mochte, es ging niemals spurlos an Stephanie vorüber und machte ihn unglaublich wütend. Nie würde er den Tag vergessen, an dem sie von der Schule nach Hause gekommen war und so stark geweint hatte, dass sie kaum hatte sprechen können. Sein Herz war in tausend Stücke zerbrochen, als sie ihm erzählte hatte, dass die Kinder sie gehänselt hatten. Wohl unzählige Male hatte er sich gewünscht, dass er an ihrer Stelle im Rollstuhl säße.
Aus irgendeinem Grund hatte er von Erin etwas anderes erwartet. Er wusste selbst nicht genau, warum. Aber sie war eine mehrfach ausgezeichnete Polizistin und hatte schon einiges gesehen. Er hatte gehofft, sie würde darüberstehen. Doch als sie ihm von ihrem Partner erzählt hatte, war ihm klar geworden, dass ihre Reaktion kein Zeichen von Charakterschwäche war, sondern auf die Geister ihrer Vergangenheit zurückzuführen war.
Doch das war, verdammt noch mal, nicht sein Problem.
„Ich hätte Ihnen nicht erzählen dürfen, dass ich … die Sache mit Danny noch nicht verarbeitet habe“, sagte Erin.
„Frank hat es ja auch nicht für nötig befunden“, sagte er trocken. „Warum sollten Sie sich dann die Mühe machen?“
„Für Frank ist das kein Thema. Er macht mich nicht dafür verantwortlich.“
„Er hat Ihre Akte also nicht gesäubert?“
„So etwas würde er nie tun.“
„Und die Dienstaufsicht hat Sie von jeglicher Schuld freigesprochen?“
Sie sah ihn an, als wären sie auf dem Weg zum Schafott und als wäre er ihr Henker.
„Ja.“
Nick gefiel es nicht, wie sich die Dinge entwickelten. Ganz offensichtlich war diese Frau von offizieller Seite entlastet worden. Das Problem war nur, dass sie selbst das offenbar anders sah.
„Die Polizei ist nicht der richtige Ort, um die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten“, sagte er. „Auch nicht in Logan Falls.“
„Ich arbeite daran.“
Sogar aus einem Meter Entfernung konnte er sehen, dass sie zitterte. Was, um alles in der Welt, war dieser Frau nur widerfahren? Was hatte Frank ihm da eingebrockt? Er war wirklich alles andere als glücklich mit der Situation. Und die Art und Weise, wie er auf sie reagierte, gefiel ihm noch viel weniger. Herrgott, er wünschte, er hätte sie niemals eingestellt.
Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Sie war eine attraktive Frau, die seine Aufmerksamkeit in völlig falsche Bahnen lenkte. Und vielleicht stimmte es, und sie hatte ihren Partner in einer Notsituation im Stich gelassen. Trotzdem war sie ein Cop. Ein Cop, den es im Dienst schwer getroffen hatte. Sie verdiente eine Chance, wieder auf die Beine zu kommen.
Stirnrunzelnd ging Nick hinter seinen Schreibtisch, jedoch ohne sich zu setzen. Er war noch immer wütend, aber es wäre falsch, seinen Ärger an Erin auszulassen. Er wusste nicht im Detail, was sie durchgemacht hatte. Laut Frank war die Schießerei nicht direkt ihr Fehler gewesen – sie hatte sich größtenteils an die Vorschriften gehalten. Doch sie hatte im falschen Augenblick gezögert, wofür sie – und vor allem ihr Partner – einen hohen Preis gezahlt hatte. Die anschließende Untersuchung der Dienstaufsicht hatte ihrer Karriere unwiderruflichen Schaden zugefügt. Sie hatte ihr Selbstvertrauen verloren. Um zu verhindern, dass man ihr kündigt, hatte sie es am Ende lieber selbst getan.
„Ich hoffe, das Ganze hat keine Auswirkung auf Ihre Entscheidung, mich einzustellen“, sagte sie.
Er drehte sich um. Ihre Schultern waren angespannt, das Kinn nach vorn gereckt. Ihr unverwandter, aber ein wenig zu eindringlicher Blick ruhte auf ihm. Es bedrückte ihn, zu sehen, dass es sie offenbar ihre ganze Kraft kostete, den Augenkontakt mit ihm aufrechtzuerhalten. Was auch immer in der Lagerhalle passiert war, es hatte einen hohen Tribut von ihr gefordert. Es war offensichtlich, dass sie sich selbst die Schuld daran gab. Nick wusste aus eigener Erfahrung, wie einfach es war, Schuld auf sich zu nehmen, wenn der wirklich Schuldige dazu nicht in der Lage war.
„Sie können hier nicht arbeiten, wenn Sie den Anblick eines Rollstuhls nicht ertragen können“, sagte er.
„Ich werde mich daran gewöhnen.“
„Sind Sie sich sicher?“
„Es hat mich nur völlig … unvorbereitet getroffen. Ich wollte sie nicht verletzen.“
„Ich glaube nicht, dass sie es bemerkt hat. Aber sie ist sehr sensibel, wenn es um ihre Behinderung geht. Ich möchte nicht, dass das noch mal passiert.“
„Das wird es nicht.“ Schuld spiegelte sich
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