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Der Bedrohung so nah (German Edition)

Der Bedrohung so nah (German Edition)

Titel: Der Bedrohung so nah (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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in Erins Blick wider. „Ich habe überreagiert. Es tut mir leid.“
    Und wieder konnte Nick seinen Blick nicht von ihr lassen. Ihre dunkelgrünen Augen hoben sich deutlich von ihrer blassen Haut ab. Erleichtert stellte er fest, dass sie nicht weinen würde. Mit weiblichen Tränen hatte er noch nie umgehen können. Wenigstens das blieb ihm erspart. Gott sei Dank. Mit der scheinbar endlosen Tiefe ihrer Augen und dem weichen Mund hatte er schon genug zu kämpfen.
    „Wir haben jetzt keine Zeit dafür“, sagte er, „aber Sie schulden mir eine etwas ausführlichere Erklärung.“
    Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr. „Ich weiß.“
    Er warf einen flüchtigen Blick zur Tür, hinter der Stephanie wartete. Schon immer hatte er das Gefühl gehabt, sie beschützen zu müssen. Doch der Autounfall vor drei Jahren, durch den ihre Mutter ums Leben gekommen und ihre Wirbelsäule verletzt worden war, hatte seinen Beschützerinstinkt noch verstärkt. Allerdings schien er in letzter Zeit etwas außer Kontrolle zu geraten.
    „Ich werde sie nach Hause bringen“, sagte er. „Sie können mitfahren. Danach beginnen wir mit unserer Schicht und reden.“
    „Nick, ich bin eine gute Polizistin …“
    „Es geht nicht darum, ob Sie eine gute Polizistin sind oder nicht. Die Frage ist, ob Sie schon wieder in der Lage sind zu arbeiten.“
    „Natürlich bin ich dazu in der Lage“, fuhr sie ihn an.
    Versonnen sah er sie an. Er konnte einfach nicht umhin zu bemerken, wie sich das Sonnenlicht in ihrem rotbraunen Haar brach und es schimmern ließ wie orientalische Seide. Verflucht noch mal, warum musste sie eine Frau sein und damit alles verkomplizieren? Und warum machte ihm das überhaupt so viel aus?
    „Ich hoffe, dass Sie recht haben“, sagte er und ging zur Tür.
    Erin beobachtete, wie Nick seine Tochter aus dem Rollstuhl hob und in den Dienstwagen setzte und sie anschnallte. Ohne mit Erin zu reden oder sie auch nur eines Blickes zu würdigen, klappte er den Rollstuhl zusammen und verstaute ihn hinter der Heckklappe des SUVs. Dann ging er um den Wagen herum, setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an.
    Erin setzte sich auf den Beifahrersitz. Sie bereute noch immer, dass ihr die Nerven durchgegangen waren. Sie hatte gehofft, die Flashbacks seien vorbei. Doch in dem Moment, als sie Stephanies Rollstuhl gesehen hatte, waren die Erinnerungen an die Nacht der Schießerei einer riesigen Flutwelle gleich in ihr Bewusstsein gebrochen. Der Mann auf dem Gerüst. Das Aufblitzen des blauen Stahls einer Waffe. Eine einzige Sekunde des Zögerns, die sie ihr Leben lang verfolgen würde.
    Fest entschlossen, sich von diesem Vorfall nicht weiter erschüttern zu lassen, schob sie die Bilder beiseite, lehnte sich zurück und sah aus dem Fenster. Sie hatte überreagiert. Aber wenn sie in den letzten Monaten eines gelernt hatte, dann, dass sich die Uhr nicht zurückdrehen ließ. Und ein Fehler mehr oder weniger machte ohnehin keinen großen Unterschied mehr.
    Sie atmete zweimal tief durch und beruhigte sich langsam. Zum ersten Mal, seit sie in den Wagen gestiegen war, nahm sie die Landschaft, die an den Scheiben vorbeirauschte, während sie zu Nicks Haus fuhren, bewusst wahr. Sie hatte noch nie in einer Kleinstadt gewohnt, doch sie hatte sich schon bei ihrer Ankunft spontan in Logan Falls verliebt. Es war eine typische Kleinstadt im Mittleren Westen, umgeben von endlosen Weizen- und Maisfeldern und schönen weißen Farmhäusern mit Wiesen, auf denen Rinder weideten. Kopfsteinpflasterstraßen und Backsteinfassaden prägten das Bild der Innenstadt. Den Glockenturm des Gerichtsgebäudes zierte ein silbernes Dach, und in der Mitte des gegenüberliegenden Geschäftszentrums prangte ein Springbrunnen. Große Ahornbäume und stattliche Eichen rahmten das dahinterliegende rotgeklinkerte Schulgebäude ein, das genau im Übergang zwischen der Innenstadt und einem sehr gepflegten Wohnviertel lag.
    Schweigend fuhren sie durch eine etwas ländlichere Gegend. Nur das Rauschen von Nicks Polizeifunkgerät war zu hören. Stephanie saß auf dem Rücksitz und starrte aus dem Fenster. Sie hatte eine Miene aufgesetzt, die Erin gar nicht erst versuchte zu deuten.
    „Sieht so aus, als wenn Mrs Thornsberry zu Hause ist“, riss Nicks Stimme sie aus ihrer Tagträumerei, als der Chevrolet Suburban in einen von weißen Zäunen gesäumten Schotterweg einbog. Vor ihnen lag ein weißes Holzhaus mit schwarzen Fensterläden und einer großen Veranda, die fast einmal ums ganze Haus

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