Der Bedrohung so nah (German Edition)
innerlich zusammen. Es war, als hätte sie ihm einen Dolch mitten ins Herz gestoßen. Er spürte den Schmerz beinah körperlich, doch er versuchte, seine Gefühle, so gut es ging, vor ihr zu verbergen. Es ging Erin nichts an, wie tief die Schuld saß, die er jedes Mal spürte, wenn er seine Tochter im Rollstuhl sah.
„Fordern Sie mich nicht heraus, McNeal“, sagte er warnend. „Es wird nicht gut für Sie enden.“
Sie blinzelte, als wäre sie von ihren eigenen Worten schockiert. „Es tut mir leid. Das hätte ich nicht sagen dürfen. Es war völlig unangebracht …“
„Frank hat mich vor Ihrem Killerinstinkt gewarnt.“
„Ich hatte nicht die Absicht …“
„Natürlich hatten Sie das. Sie brauchen es gar nicht schönzureden. Direkt an die Gurgel, das ist doch Ihre Art, nicht wahr?“
„Sie haben nicht die leiseste Ahnung, was meine Art ist.“
Vergeblich versuchte er, die Wut zu unterdrücken, die sich in seiner Brust aufgestaut hatte, doch es war zu spät. Er wusste, dass er überzogen reagierte, aber diese Frau brachte ihn einfach zur Weißglut. „Sie mögen das Risiko, nicht wahr, McNeal?“
„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.“
„Von einer geheimen Todessehnsucht vielleicht?“
„Das ist doch absurd.“
„Oder dass Sie mit aller Gewalt versuchen, das, was Sie vor sechs Monaten in der Lagerhalle vergeigt haben, wiedergutzumachen?“
Sie zitterte am ganzen Körper. „Zur Hölle mit Ihnen.“
Einem spontanen Impuls folgend, nahm er sie am Arm und führte sie zu seinem Wagen. Weg von den neugierigen Blicken der andern Deputys und der Menschenmenge, die sich vor der Bar gebildet hatte. „Sie haben mir nicht die Wahrheit gesagt.“
„Ich habe Sie nie belogen.“
„Sparen Sie sich Ihre semantischen Feinheiten. Dass Sie die Schießerei noch nicht verarbeitet haben, ist schon schlimm genug. Aber Ihre Vorliebe fürs Risiko macht Sie zu einer tickenden Zeitbombe.“
„Sie übertreiben …“
„Das kommt vor, wenn man mich belügt. Es bringt mich auf die Palme.“
„Ich habe mich wie ein Cop verhalten, Nick. Ich habe getan, was ich für richtig hielt.“
„Haben Sie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass wir keine Verstärkung hatten? Dass Sie noch nicht einmal Handschellen dabeihatten? Dass der Täter vielleicht noch eine weitere Waffe wer weiß wo versteckt haben könnte? Dass ein unschuldiger Zivilist bei einer Schießerei hätte verletzt werden können?“
„Natürlich habe ich all diese Sachen in Betracht gezogen.“
Nick blieb vor seinem Streifenwagen stehen. „Wenn ich Ihnen eine Anweisung erteile, haben Sie sie auszuführen. Und zwar ohne Wenn und Aber. Verstanden?“
„Ich habe zwei Verdächtige entwaffnet und Ihnen den Rücken freigehalten.“
„Sie haben sich Hals über Kopf in eine gefährliche Situation gestürzt. Wenn ich mit Ihnen zusammenarbeiten soll, dann muss ich Ihnen vertrauen können, McNeal. Und so wie die Dinge stehen, werde ich einen Teufel tun und mich auf Ihr Urteilsvermögen verlassen.“
„Dank meines Urteilsvermögens habe ich zwei Verbrecher zur Strecke gebracht …“
„Sie sind noch nicht bereit, in den Polizeidienst zurückzukehren.“ Nicks Hände zitterten vor Wut. Es war ihm bewusst, wie überzogen seine Reaktion war, doch er konnte nichts dagegen tun. Und er hatte nicht vor, zu analysieren, warum das so war. Es interessierte ihn nicht. Aber es war offensichtlich, dass sie ihn tief getroffen hatte. Es war, als stecke ein Giftpfeil in seinem Fleisch, der seine Eingeweide langsam von innen heraus verrotten ließ.
Schweigend starrte sie ihn an. Nur das schwere Atmen der beiden und der Verkehr auf der Commerce Street waren zu hören. Erin liebte das Risiko. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Sie war ein Adrenalinjunkie. Die Art und Weise, wie sie gerade ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatte, ließ keinen anderen Schluss zu. Sie war leichtsinnig und verantwortungslos. Zwei Dinge, mit denen Nick nicht umgehen konnte. Nicht nachdem, was mit Rita passiert war. Nicht nach der Spur der Verwüstung, den ihr Tod im Leben seiner Tochter und seinem eigenen hinterlassen hatte.
Überwältigt von der Intensität seiner Wut, ließ er Erin abrupt los und trat einen Schritt zurück. „Ich will einen ausführlichen Bericht auf meinem Schreibtisch. Danach können Sie Ihren Spind ausräumen.“
„Was soll das heißen?“
„Sie sind doch eine intelligente Frau. Was denken Sie denn?“
Ungläubig sah sie ihn an. „Sie können mich nicht
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