Der Bedrohung so nah (German Edition)
dazu war es jetzt zu spät.
Erin drehte sich um, und Nick folgte ihr ins Wohnzimmer, wobei er vergeblich versuchte, die Rundungen ihres Hinterns unter dem Bademantel zu ignorieren. Die ganze Situation war ihm furchtbar unangenehm.
Die Wohnung war klein mit zwei hohen Fenstern und durchscheinenden Gardinen, in denen sich das gelbe Sonnenlicht fing. Die Möbel waren veraltet, aber praktisch. Erin McNeal schien nicht auf Rüschen zu stehen. Keine Fotos oder Andenken. Es überraschte ihn nicht, dass sie nicht sonderlich ordentlich war. Sie hatte zwar gerade erst ausgepackt, doch die Anzeichen von weiblichem Chaos waren unübersehbar. Ein willkürlich auf einen Karton geschmissenes Handtuch, ihre Stiefel neben dem Sofa, wo sie sie ausgezogen hatte, und das Pistolenhalfter auf dem Couchtisch. Sein Blick blieb an dem Stück Spitze hängen, das über der Lehne des Sofas hing. Ihr BH. Derselbe, der bei ihrem ersten Treffen unter ihrer Bluse hervorgeblitzt war. Nein, dachte er. Es war absolut keine gute Idee gewesen hierherzukommen.
„Möchten Sie etwas trinken?“
Er riss seinen Blick von ihrem BH los. Was, um alles in der Welt, war nur mit ihm los? Er benahm sich wie ein sexhungriger Teenager in der Pubertät, der beim Anblick eines BHs fast ins Koma fiel. Es gab unzählige Gründe, warum diese Frau tabu für ihn war. Dass sie für ihn arbeitete, war nur einer davon.
„Nein.“ Er räusperte sich und verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, um der plötzlichen Enge in seinem Schritt entgegenzuwirken. „Hören Sie, Erin, es kommt öfter vor, dass ein Cop nach einer Schießerei sein Selbstvertrauen verliert.“
„Ich habe mein Selbstvertrauen nicht verloren.“
„Sie sind viel zu bemüht. Sie versuchen, etwas zu erzwingen, was Zeit braucht. Sie können es nicht übers Knie brechen. Ich möchte nur verhindern, dass Ihnen am Ende noch etwas zustößt.“
Sie errötete.
„Ich brauche noch immer einen Deputy“, sagte er. „Und das Letzte, was Sie gebrauchen können, ist eine weitere Kündigung in Ihrem Lebenslauf. Was halten Sie davon, wenn wir es noch einmal probieren?“
„Wenn Sie mich bitten zu bleiben, lautet die Antwort: ja.“
Nick verzog das Gesicht. Er war sich zwar nicht sicher, ob das die Antwort war, die er hören wollte, aber er würde damit leben können. „Ich will ehrlich zu Ihnen sein, McNeal. Ich habe meine Zweifel, ob Sie schon wieder für den Polizeidienst bereit sind. Ich werde Ihre Probezeit verlängern …“
„Ich bin bereit.“
„Sie haben heute Morgen entgegen meiner ausdrücklichen Anweisung gehandelt und sind ein unnötiges Risiko eingegangen. Der Zwischenfall hätte wesentlich schlimmer enden können. Ich werde dieses leichtsinnige Verhalten weder von Ihnen noch von einem anderen Deputy akzeptieren. Ist das klar?“
Sie sah ihm direkt in die Augen. „Die beiden Männer waren bewaffnet und gefährlich. Hätte ich sie etwa entkommen lassen sollen?“
„Einer der beiden hätte Ihnen beinah die Waffe abgenommen. Dann wäre aus einem Raubüberfall ziemlich schnell eine Geiselnahme oder Schlimmeres geworden.“
„Offenbar haben Sie Schwierigkeiten damit, es mir zu glauben“, sagte sie, „aber ich bin ein Profi. Und ich weiß, wie …“
„Selbst wenn das stimmen sollte, darum geht es nicht.“
„Worum dann? Um meine Urteilsfähigkeit?“
„Nachdem, was ich heute gesehen habe und was ich über Ihre persönliche Vergangenheit weiß, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als Ihre Urteilsfähigkeit in Frage zu stellen.“
„Ich verstehe.“ Als sie das Kinn reckte, wusste Nick, dass er ins Schwarze getroffen hatte. „Sie sind davon überzeugt, dass ich die Schießerei noch immer nicht verarbeitet habe.“
„Und? Habe ich recht damit?“
„Warum fragen Sie überhaupt? Ihre Meinung steht doch ohnehin schon fest.“
„Hören Sie, Erin, Cops reagieren unterschiedlich auf Schießereien. Einige ziehen sich zurück, andere kündigen, und wieder andere fangen an zu trinken. Herrgott noch mal! Sehen Sie sich doch die Scheidungsrate an. Oder die Selbstmordrate. Egal, was Sie in der Lagerhalle getan oder nicht getan haben: Sie haben nichts wiedergutzumachen.“
Sie überkreuzte die Arme vor der Brust. „Sind Sie jetzt neuerdings unter die Psychiater gegangen?“
„Nein. Aber ich bin Polizeichef – und Ihr Vorgesetzter. Und ich habe das Recht, zu wissen, was in Ihnen vorgeht. Mein Leben und das Leben meiner Deputys hängt im Ernstfall davon
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