Der Bedrohung so nah (German Edition)
aufmerksam geweitet. Sie schien aufgeregt. Nick war sich nicht sicher, ob das ein gutes Zeichen war. „Dieselbe Bar wurde letzte Woche schon einmal überfallen“, sagte er. „Patrick bringt sein Bargeld nicht oft genug zur Bank. Er hat über zweitausend Dollar verloren. Der Räuber war bewaffnet.“
„Werden wir reingehen?“, fragte Erin.
„Erst wenn ich die Situation besser abschätzen kann.“
„Bis dahin könnte es schon zu spät sein …“
„Ich gehe rein, wenn ich es für richtig halte.“
„Ich gebe Ihnen Deckung.“
„Sie bleiben im Wagen.“ In halsbrecherischem Tempo raste er um eine Kurve. „Ich will so wenig Aufsehen wie möglich. Und keine Verletzten.“
„Aber vielleicht brauchen Sie Rückendeckung …“
„Das hier ist nicht Chicago, McNeal.“
„Seit wann sind die Täter nur in Chicago bewaffnet?“
Er nahm seinen Blick von der Straße und sah besorgt zu ihr rüber. Sie sprühte förmlich vor Aufregung. „Wenn Sie sich etwas beweisen wollen, tun Sie das woanders.“
„Es wird Ihnen nicht gefallen, aber ich weiß, was ich tue.“
„Dann beweisen Sie es mir, indem Sie sich an meine Anweisungen halten.“ Nick nahm die Ampel an der Main Street bei Rot. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis Erins Stolz die Oberhand gewann, und was er dann tun sollte. Verdammt, er hatte wirklich wichtigere Sorgen.
Der Brass Rail Saloon war am Ende des Blocks. Nick fuhr auf den Parkplatz des angrenzenden Gebäudes. Staub wirbelte auf, als er den Wagen zum Stehen brachte. „Sie bleiben, wo Sie sind, McNeal“, blaffte er. Dann zog er seinen Revolver aus dem Halfter, öffnete die Tür und rannte los.
Adrenalin rauschte durch Erins Adern, seit sie den Funkspruch gehörte hatte. Doch als sie Nick hinterhersah, wie er quer über den Parkplatz zur Rückseite der Bar sprintete, kämpfte sie gegen ihre eigene Enttäuschung an.
„Wenn Sie sich etwas beweisen wollen, tun Sie das woanders.“
Dass er sie angewiesen hatte, im Wagen zu warten, tat weh. Er schätzte sie falsch ein. Nur weil sie nicht vor einem Kampf zurückscheute, war sie noch lange nicht übereifrig. Sie mochte ihren Job ganz einfach. Die Aufregung, die die Gefahr mit sich brachte, ebenso wie das euphorische Gefühl, das sie überkam, wenn ihre Fähigkeiten und ihr Wissen zu einer erfolgreichen Festnahme führten. Nick kannte sie nicht gut genug, um sich ein Urteil über sie zu erlauben. Sie hatte weder sich selbst noch Nick Ryan etwas zu beweisen.
Frustriert beobachtete sie, wie er hinter dem Gebäude verschwand. „Na großartig“, murmelte sie. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie ein Auto auf den Parkplatz fuhr und direkt vor dem Eingang der Bar hielt. Erin hielt die Luft an. Ganz bestimmt war der alte Ford mit den breiten Reifen und dem lauten Motor kein Wagen des Sheriffs. Der Fahrer stieg aus und sah sich um. Er war so groß wie ein Stier und sah auch genauso gefährlich aus. Als sie den Griff einer Pistole entdeckte, der aus dem Bund seiner Jeans hervorlugte, begannen die Alarmglocken in ihrem Kopf zu schrillen.
Ihre Hände zitterten. Sicherlich war es nur die Aufregung, versuchte sie sich zu beruhigen, doch es war zwecklos. Sie kannte die Anzeichen der Angst nur zu gut: Herzklopfen, Zittern, ein bitterer Geschmack in der Kehle.
Doch keine zwei Sekunden später zog sie ihren Revolver aus dem Halfter, öffnete die Tür und stieg aus. Sie konnte unmöglich im Wagen bleiben, wenn draußen ein Verdächtiger mit einer Waffe rumlief. So viel stand fest. Sie konnte spüren, wie das Adrenalin in ihre Muskeln gepumpt wurde, als sie zu dem Gebäude rannte und ihren Körper gegen die Backsteinfassade presste. Bis auf den alten Ford war der Parkplatz leer. Nick war nirgends zu sehen.
Die Waffe lag schwer in ihrer verschwitzten Hand, und ihr Herz hämmerte wie wild, als sie sich langsam an der Mauer entlangschlich. Sie spürte einen Flashback herannahen und kämpfte dagegen an. Doch sie konnte die Bilder nicht aufhalten. Wie ein schlechtes Video liefen sie vor ihrem inneren Auge ab. Danny, gefesselt und hilflos am Boden. Das Krachen eines Schusses. Der Geruch von Schießpulver. Angst und ein Schmerz, so stark, dass er ihr den Atem raubte.
Keuchend versuchte sie, die Erinnerungen und die Gefühle, die sie in ihr auslösten, beiseitezuschieben. Sie spürte, wie sie in ihrer Uniform zu schwitzen begann. Nick verließ sich auf sie. Sie durfte nicht zulassen, dass sie ihn ebenso enttäuschte wie Danny.
Plötzlich bewegte sich
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