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Der Befehl aus dem Dunkel

Der Befehl aus dem Dunkel

Titel: Der Befehl aus dem Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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schüttete von jenem Pulver, das der Abt ihm am Tage vorher in den Tee gemischt hatte, etwas in einen Becher Wasser und trank ihn aus. Dann legte er sich auf sein Lager zurück und wartete gespannt.
    Nach einer Weile begann es in seinem Kopf zu klingen und zu hallen. Viele Stimmen drangen zu ihm. Jetzt unterschied er deutlich die Stimme des stummen Mönchs, der in der Zelle neben ihm auf dem Krankenbett lag. Da plötzlich … die Stimme des Abtes!
    Er wußte, der war mit seinem Gast aus dem Kloster gegangen und saß in diesem Augenblick mit Jemitsu am Felsen der Einsamkeit weit weg vom Kloster. Was dachte dessen Hirn, was strahlte es ins Weite – hierher bis zu ihm? Endlich hatte er den Sinn erfaßt. Der Abt erprobte mit Jemitsu die Wirkung des Pulvers, das die Sendeenergie verstärkte. Mit Gewalt mußte Sifan sich zurückhalten, um nicht auch den Befehlen des Abtes an Jemitsu zu folgen, die zu ihm drangen.
    Jetzt hörte er nichts mehr. Dann leise, kaum verständlich vernahm er die Stimme des Abtes. Was sprach dieser mit Jemitsu? Lange lag Sifan, den Inhalt dieser Unterredung zu verstehen.
    Nun eine lange Pause, Jemitsu mochte wohl sprechen. Jetzt wieder die Stimme des Abtes. Und jetzt verstand Sifan auch den Sinn dessen, was die da draußen verhandelten … zurück nach Peking fahren … die Regierung, die Minister … deine geistigen Sklaven … alles werden sie tun, was du willst. Der große Plan ausgeführt nach göttlichem Willen durch Jemitsu, den Diener der Götter … die Herrschaft der Angelsachsen gestürzt … Länder und Meere frei für die Söhne des großen Reiches der Mitte … Australien das letzte Ziel.
    Wieder nach einer Pause klang Turi Chans Stimme. »Wir werden nach Peking fliegen, wo viele große, einflußreiche Männer schon längst unseren Plänen geneigt sind. Die anderen werde ich zwingen. Dann werde ich zu den Ländern der sinkenden Sonne reisen und dort das Meinige tun.« —
    Turi Chan und Jemitsu waren ins Kloster zurückgekommen. Der Abt ging in sein Gemach und zog die Karte hervor. Sie zeigte den ostasiatischen Raum. An verschiedenen Stellen waren farbige Punkte eingezeichnet. Er nahm den Schlüssel zum Wandschrank, schloß ihn auf und legte die Karte hinein. Da fiel sein Blick auf das Blechkästchen. Am Rande hing ein Stück Papier heraus. Unruhig, argwöhnisch, öffnete er das Kästchen. Der Brief Allgermissens lag wie immer obenauf, doch war er so unordentlich zusammengelegt, daß er sich im Rand des Deckels eingeklemmt hatte. Ein weiterer Blick auf die Kristallbüchsen, und Turi Chan war sofort überzeugt, daß eine fremde Hand sich an deren Inhalt zu schaffen gemacht hatte.
    Er öffnete das Fenster, rief den Pförtner und sprach mit ihm. Dann gab er einem vorübergehenden Mönch den Auftrag, sofort den Gast zu ihm zu bringen.
    Als Jemitsu eintrat, fand er Turi Chan in höchster Erregung.
    »Wir sind verraten, Jemitsu! Der Mönch aus dem Lande des Sonnenunterganges, Sifan, ist, während wir fort waren, in diesem Raum gewesen. Er gab, wie der Pförtner sagte, dem Boten die Karte. Dabei hat er es gewagt, den Schlüssel aus dem heiligen Schoß Buddhas zu nehmen und diesen Schrank aufzuschließen.«
    Jemitsu fuhr zurück. »Bist du sicher, Turi Chan?«
    »Ich bin es. Er hat das Blechkästchen geöffnet und weiß, was darin ist. Er hat auch von dem Inhalt dieser Büchsen genommen.«
    »Du meinst …? Du fürchtest …?«
    »Ich fürchte es.«
    »Was wirst du tun, Turi Chan? Unmöglich, daß …«
    »Du sagst es, Jemitsu. Unmöglich, daß der Mann noch länger lebt.«
    »Wo ist Sifan?« drängte Jemitsu, »ist er geflohen?«
    »Nein, Jemitsu. Er hat vor einer Stunde, wie ihm geheißen, den Weg nach Norden angetreten, nach Irkutsk. Wie lange er beabsichtigt, ihn zu verfolgen, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß er am Ende seiner Straße angekommen ist. In dieser Nacht noch soll es geschehen …«
    Der Abt ging hinaus, trat aus der Klosterpforte und schlug den Weg zum Dorf ein. Nach einer Weile kam er zurück.
    »Wir können beruhigt abreisen, Jemitsu, morgen früh wird außer uns beiden niemand mehr um das Vermächtnis Allgermissens wissen.«
    »Gott sei Dank, daß du aus dieser Geschichte raus bist, Alfred«, sagte Helene.
    Das Ehepaar Forbin ging den Seitengang im D-Zug Paris– München entlang zum Speisewagen. An einem Tisch, an dem nur ein einzelner Herr saß, nahmen sie Platz.
    *

»Du hast recht, Helene. Es war von vornherein falsch, daß wir uns auf diese Astenryksche Sache

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