Der Befehl aus dem Dunkel
Georg.« Tränen liefen über ihre Wangen … Freudentränen. – »So wäre alles in bester Ordnung«, meinte Alfred Forbin und schob Shugun ein Schriftstück zu. »Ich hege keinen Zweifel, daß mir die Prozente direkt von Ihnen, wie vereinbart, ausgezahlt werden. Sie, Herr Baron de Castillac, werden das verstehen. Ich taxiere meine Arbeit bei diesen Waffenlieferungen nicht gering ein. Haben Sie übrigens Nachricht von dem Dampfer ›Kongsberg‹?«
Shugun nickte: »Unser Transport ist in Cadiz von dem niederländischen Dampfer ›Graf Egmont‹ übernommen worden.«
Forbin kniff die Augen zusammen: » ›Graf Egmont‹ ist doch eines der schnellsten Passagierschiffe der Amsterdamer Dampfschiff-Gesellschaft! So eilig ist die Sache?«
»Keineswegs, Herr Forbin. Da irren Sie. Die ›Graf Egmont‹ löscht in Batavia. Das ist uns angenehmer als Hongkong. In Hongkong paßt man schärfer auf.«
Als das Ehepaar das Hotel Castillacs verlassen hatte, wandte sich Helene ärgerlich an ihren Mann.
»Dieses ewige Versteckspiel gefällt mir nicht, Alfred. Wohin diese Sendungen eigentlich gehen, wird uns verschwiegen.«
»Helene, ich gäbe was darum, wenn ich dahinterkäme. Man kann nie wissen, wozu man es gelegentlich gebrauchen kann.«
»Unsinn, Alfred! Du bist zu leicht bei der Hand, doppeltes Spiel zu treiben. Mißbrauchtes Vertrauen rächt sich immer.
Ich würde dir aber doch raten, nach Creusot zu fahren und dich dort mal gründlich umzusehen. Vielleicht findest du dort Castillacs Konkurrenz auch in bester Tätigkeit, und wenn du das Geschick entwickelst, das ich von dir erwarte, kommst du schließlich auch dahinter, wohin die Konkurrenz die Waffen schickt. Darüber bin ich mir ziemlich klar, daß es derselbe Bestimmungsort sein wird wie bei Castillac.«
»Die Idee ist gut, Helene. Wissen wir erst einmal den Zweck dieser umfangreichen Waffenlieferungen, dann steht letzten Endes nichts im Wege, daß wir das Geschäft selbständig betreiben.«
»Jetzt wollen wir uns aber trennen, ich habe noch Besorgungen zu machen.«
Schon im Weggehen, rief Forbin ihr nach: »Erinnere mich doch bitte heute abend daran, bei Raconier in Paris anzurufen. Ich bin doch neugierig, ob Herr Forestier das Ding mit Georg Astenryk so gedreht hat, wie er es beabsichtigte.«
Chefingenieur Raconier sah auf die Uhr. Er erwartete um diese Zeit den Besuch Forestiers. Kopfschüttelnd überflog er immer wieder die Zeilen des Briefes, den er zwei Tage vorher von Forestier aus München bekommen hatte. Der Inhalt des Schreibens war ihm völlig unklar. Nur das eine stand unzweifelhaft fest: Das Unternehmen Forestiers war vollkommen mißlungen.
Nun, die mündliche Rücksprache mit Forestier würde wohl alles aufklären. In dieser Erwartung sah sich Raconier jedoch getäuscht. Forestier kam, aber was er erzählte, war so unglaubwürdig, daß er zeitweise an dessen Verstand zweifelte. Doch trotz aller Mühe war nichts Positives aus ihm herauszubringen … Sie hätten da in einiger Entfernung von der Hütte plötzlich wie auf ein Kommando haltmachen müssen, hätten nicht vorwärts und nicht rückwärts gekonnt? Erstklassiger Blödsinn!
Sie müssen alle betrunken gewesen sein, dachte Raconier sich. Sehr ungnädig entließ er Forestier.
*
Der Briefträger, der sich nicht oft auf den Wilden Rain verirrte, hatte heute gleich zwei Briefe auf einmal gebracht. Der eine von Anne gab Georg die ersehnte Aufklärung. Was sie da schrieb, enthielt zwar eine Häufung von eigenartigen Zufällen, war aber durchaus überzeugend.
Der Brief der Tante Mila enthielt außer einem kurzen Begleitschreiben der Tante einen Brief seines Halbbruders Jan Valverde. Es war ein langes Schreiben, in dem Jan ihn, Georg, und Marian in der herzlichsten Weise einlud, zu ihm zu kommen.
Er rief Marian herein und gab ihm das Schreiben. Während dieser las, gingen die Gedanken Georgs zurück in seine Jugendzeit zu den gemeinsam mit Jan verlebten Jahnen. Jan Valverde war der Sohn seiner Mutter aus ihrer ersten Ehe. Das Verhältnis zwischen Jan und seinem Stiefvater Astenryk war nie besonders herzlich gewesen. Nach Georgs Geburt wurde es noch kühler. Als dann Jan nach seinem Selbstmordversuch Neustadt verließ und nach Australien auswanderte, waren nur noch selten Briefe zwischen den beiden gewechselt worden. Jan hatte mit seinem väterlichen Erbteil eine Farm in Neusüdwales erworben.
»Was hältst du davon, Marian?«
Marian sah nachdenklich vor sich hin. »Wenn ich dir raten darf, so
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