Der Befehl aus dem Dunkel
eine gleichgültige Handbewegung. »Außer einer Schwester habe ich keine näheren Verwandten. Wir stehen gegenwärtig natürlich nicht in brieflicher Verbindung. Aber das läßt sich ja später nachholen. Immerhin haben Sie mich auf einen Gedanken gebracht, der sich wohl leicht ausführen läßt. Ich werde nachher einen Brief an meine Schwester schreiben und Ihnen zur Beförderung übergeben. Vielleicht empfiehlt es sich, den Brief erst mit der Luftpost nach Frankreich gehen zu lassen und ihn von dort an meine Schwester zurückzusenden.«
»Zurück? Wie meinen Sie das, meine Gnädigste? Ist etwa Ihre Schwester …?«
»Richtig, verzeihen Sie! Sie können ja nicht wissen, daß meine Schwester hier im Osten, in Singapur, ist.«
»In Singapur, gnädige Frau? Darf ich wohl fragen, in welcher Eigenschaft sie dort ist?«
»Sie ist dort als Gesellschafterin bei der Lady Wegg, der Gattin des Gouverneurs.«
Turi Chan führte die Tasse zum Munde, um seine Überraschung zu verbergen.
»Oh, das ist ja ein merkwürdiges Zusammentreffen. Übrigens … Sie haben doch wohl auch von der Explosion im Gouvernementsgebäude gehört, gnädige Frau?« setzte er nach einer Pause hinzu.
»Natürlich, Turi Chan«, warf Borodajew ein, und lauernd fragte er: »Von den Urhebern des Attentats hat man anscheinend noch nichts entdeckt?«
»Vielleicht spielt da ein ähnlicher Zufall mit wie bei der Explosion des Kreuzers ›Brisbane‹«, meinte Helene mit einem bedeutsamen Blick zu Turi Chan.
Dieser zuckte die Achseln. »Wer kann das alles wissen?«
»Hoffentlich wird meine Schwester unter den kommenden Ereignissen nicht direkt zu leiden haben«, meinte Helene nachdenklich.
»Aber, meine Gnädige, wir führen doch nicht mit Frauen Krieg! Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
»Ich möchte fast annehmen, daß meine Schwester Anne gar nicht mehr in Singapur ist. Möglich, daß ihr Verlobter, der in Australien wohnt, sie von Singapur fortgeholt hat.«
»Ah, eine Überraschung! Der Verlobte Ihrer Schwester lebt in Australien? Wie doch das Schicksal die Menschen auseinanderreißt – wieder zusammenwürfelt. Ist es ein Deutscher oder ein Australier, gnädige Frau?«
»Ein Deutscher, der vor kurzem erst dorthin gegangen ist. Er stammt auch aus unserer engeren Heimat, heißt Astenryk.«
Diesmal vermochte Turi Chan seine Überraschung nicht zu verbergen. Als er sich wieder gefaßt hatte, fuhr er fort:
»Astenryk? Der Name ist mir bekannt. Ein Passagier dieses Namens war auf der ›James Cook‹, auf der ich vor längerer Zeit von Penang nach Singapur fuhr …«
»Das ist er sicherlich gewesen« sagte Helene in lebhaftem Ton, »sind Sie persönlich mit ihm bekannt geworden?«
»Nein, gnädige Frau. Doch …«
Hier wurden sie in ihrem Gespräch unterbrochen. Ein Offizier kam in das Zimmer und meldete, daß ein Kurier mit neuen Instruktionen eingetroffen sei und den General zu sprechen wünsche.
Zwei Wochen waren seit jener Unterredung zwischen Jan und Georg vergangen. Wie oft war Jan in dieser Zeit in das Laboratorium gekommen und hatte mit ängstlich forschenden Augen die Gläser mit den Kohlenstofflösungen betrachtet, aus denen die Steine sich kristallisieren sollten.
Er hatte, wie ihm Georg geraten, in der Nähe der verlassenen Schürfstellen auf Alluvialboden erneut Claims belegt.
Um einen wirtschaftlichen Erfolg mit der künstlichen Diamantenherstellung zu erzielen, mußte man die Entdeckung der Synthese natürlich geheimhalten. Denn in demselben Augenblick, wo nach wissenschaftlicher Feststellung eine künstliche Herstellung möglich war, mußte ja zwangsläufig der Preis der natürlichen Steine, verglichen mit dem jetzigen Marktpreis, ins Ungemessene fallen.
Man mußte also zur Täuschung schreiten, so tun, als hätte man die Steine in diamanthaltiger Erde gefunden. Für das Gelingen dieser Täuschung war es äußerst günstig, daß auf Jans Grund und Boden schon früher nach Diamanten geschürft worden war. So konnte man, über die Herkunft der Diamanten befragt, ohne weiteres Glauben finden, wenn man sagte, sie seien in der Nähe jener alten Schürfstellen als natürliche Steine aus der Erde gegraben worden.
Irgendein Betrug war ja rechtlich damit nicht verbunden, da die künstlichen Diamanten sich in nichts von den natürlichen unterschieden. Und doch fühlte Georg sich in seinem innersten Herzen nicht ganz frei von Bedenken.
Doch die Not, die Liebe zu Jan ließen ihn diese Bedenken beiseite
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