Der Befreier der Halblinge: Roman (German Edition)
Kalamtar spürte das lähmende Gift der Müdigkeit mit grausamer Deutlichkeit. Schiere Verzweiflung ließ ihn immer wieder das Schwert heben und um sich schlagen. Ungenauer und kraftloser wurden diese Hiebe. Und bei jedem Mal kosteten sie ihn mehr und mehr Selbstüberwindung und Willenskraft. Ein Schlag traf ihn am Harnisch. Einen Moment lang glaubte er, nicht mehr atmen zu können. Er war wie betäubt. Schräg von der Seite war dieser Hieb gekommen– ausgeführt mit einer Axt.
Die Rüstung hatte deren Klinge zur Seite abgleiten lassen. Trotzdem durchraste Kalamtar jetzt ein Schmerz. Gleichzeitig verschwand der Kopf seines Streitrosses im Maul eines Reithundes, der ihn von vorn angriff. Mit einem knackenden Geräusch drückten die Zähne des Reithundes die Panzerung ein, die Kopf und Hals des Pferdes schützten.
Das Pferd ging zu Boden– und Kalamtar mit ihm. Ein Schwall von Blut spritzte wenig später aus dem Stumpf des Pferdehalses. Kalamtar landete im Morast. Er riss das Schwert herum, durchtrennte den Unterschenkel des Reithundes und rollte zur Seite. Mühsam versuchte der Ritter wieder auf die Beine zu kommen.
So soll mein gerade erst begonnenes Königtum nicht enden, ging es ihm wütend durch den Kopf– und aus dieser Wut versuchte er Kraft zu schöpfen.
Er kam wieder auf die Füße, riss sich den Helm vom Kopf, um eine bessere Übersicht zu haben, und fasste das Schwert mit beiden Händen, um dem nächsten Angriff zu begegnen. Sein ganzer Körper schmerzte. Dass seine Rüstung und das dicke Wams ihn schützten, hieß nicht, dass er von den Schlägen, die ihn getroffen hatten, nichts gespürt hätte. Jeder einzelne Knochen im Leib schien zu brennen und ihn zu bitten, doch einfach aufzugeben und damit sein Leiden zu verkürzen.
Die Dämonenkrieger, auf die der Tod ihres Anführers keinen erkennbaren schwächenden Einfluss zu haben schien, folgten ihrer bisherigen, äußerst zermürbenden Taktik. Nach einem Angriff zogen sie sich zunächst wieder außer Reichweite der Waffen des Gegners zurück. Und diese Reichweite war inzwischen nicht mehr sehr groß, denn um Armbrustbolzen und Speere wieder einzusammeln, war während des Gefechtsverlaufs einfach keine Gelegenheit gewesen.
So waren inzwischen aufseiten der Ritter kaum noch Distanzwaffen im Einsatz.
Die Dämonenkrieger entfernten sich ein Stück, um sich dann neu zu formieren. Doch diesmal war es anders. In der Ferne, aus dem Grau des Nebels heraus ertönten nun Signalhörner.
Die Hornsignale waren für die Ohren der Ritter sehr fremdartig. Offenbar verwendeten sie nicht die Signalsprache, die in Beiderland, Ambalor, Harabans Reich und in abgewandelter Form auch in einigen anderen Menschenreichen von Athranor üblich war. Und die verwendeten Hörner hatten darüber hinaus einen sehr viel tieferen und volleren Klang.
Kalamtar hatte so einen Laut noch nie gehört, in keiner Schlacht, an der er je teilgenommen hatte.
Auch die Dämonenkrieger hatten dies bemerkt. Hier und da war deutlich erkennbar, dass die Augen dieser Geschöpfe regelrecht aufglühten.
Wilde, dröhnende Rufe waren nun zu hören.
Dann schälten sich die ersten stämmigen Gestalten aus dem Nebel der Anhöhe. Wie dunkelgraue Schatten hoben sie sich zunächst ab, ehe sie deutlicher hervortraten.
Weder Ritter noch Dämonenkrieger glaubten ihren Augen zu trauen, als sie sahen, was dann aus dem Dunst hervorbrach.
Eine Armee von Zwergen!
Mit unglaublicher Wut trafen die Zwerge auf die sich zurückziehenden und noch nicht wieder neu formierten Dämonenkrieger, die überdies derzeit keinen Anführer mehr hatten, sondern eher einer kämpfenden Horde glichen. Sprengsteine explodierten und zerrissen Dutzende von Dämonenkriegern. Und sie zerstörten auch die notdürftige Ordnung unter den Angreifern. Sie erschreckten allerdings die überlebenden Ritter aus Beiderland und Ambalor ebenso– denn keiner von ihnen hatte je erlebt, wie Zwerge Sprengsteine einsetzten.
In einer Zangenbewegung umfasste das gut formierte Zwergenheer die Dämonenkrieger. König Grabaldins Krieger waren zwar von kleinem Wuchs, aber stämmig und kraftvoll. Dass sie keine Reittiere besaßen, münzten sie ebenso wie ihre Kleinheit in einen Vorteil um. Um einen Zwerg zu köpfen, musste ein Dämonenkrieger sich von seinem Reittier herabbeugen. Die Zwerge aber griffen die Beine der Riesenhunde und Reitechsen an, machten sie oft durch gezielte Axthiebe kampfunfähig. Den schnappenden Mäulern dieser Bestien wichen sie aus,
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