Der Befreier der Halblinge: Roman (German Edition)
«
Prinz Eandorn leerte seinen Becher. Seine Augen leuchteten noch einmal auf ähnliche Weise auf wie beim ersten Schluck. Dann setzte er den Becher geräuschvoll auf den Tisch, woraufhin alle anderen Anwesenden es ihm gleichtaten. Auch Arvan nahm einen Schluck. Überall sah er Augenpaare, die für einen Moment hell aufleuchteten. Arvans Blick glitt suchend umher. Nicht zum ersten Mal seit Beginn der Feier fragte er sich, weshalb die schöne Zoéwén nicht anwesend war. War ihr Stand innerhalb der Elbenheit nicht hoch genug, um zu so einem Ereignis eingeladen zu werden?
Trink und lass deine Gedanken nicht abschweifen, mahnte ihn Brass Elimbor. Sonst werden deine Augen nicht leuchten, und du wirst unangenehm auffallen, Arvan! Und was Zoéwén betrifft – genau deswegen habe ich dafür gesorgt, dass sie deine schwache Seele nicht unnötig verwirren kann!
Arvan nahm also ebenfalls einen Schluck und versuchte so gut wie möglich an gar nichts zu denken. Vielleicht war das am besten so. Ob seine Augen leuchteten oder nicht, konnte er selbst natürlich nicht sagen. Er bemerkte jedoch die Blicke aller andern, die plötzlich auf ihn gerichtet waren.
Arvan hoffte in diesem Augenblick nur, dass er keinen Fehler gemacht hatte.
» Was macht ein Fremder unter uns, dessen Geist so unklar ist wie der Dunst des zeitlosen Nebelmeers? « , erhob sich nun eine Stimme. Sie gehörte einer Frau, und während sie ihre Worte in elbischer Sprache über die Lippen brachte, nahm Arvan sie gleichzeitig als Gedanken wahr.
Das ist Braa Namra, ein Mitglied unseres Schamanenordens, das meine Pläne missbilligt, meldete sich Brass Elimbor mit einer Gedankenbotschaft bei Arvan. Halte dich zurück.
» Ich bin überzeugt, dass Eure Geisteskraft Euch längst erkennen ließ, wen Ihr vor Euch habt, werte Braa Namra « , sagte Prinz Eandorn. » Alle, die hier sind, haben den Trunk der Klarheit genommen und dürften erkennen, was ist, was sein wird und was sein könnte. «
» Es ist nicht üblich, dass Fremde an diesem Fest teilnehmen « , sagte Braa Namra dann und legte eine für Arvan geradezu unangenehme gedankliche Eindringlichkeit in ihre Worte.
Brass Elimbor versuchte Arvan zu beruhigen. Das tut sie mit Absicht. Sie will zeigen, dass du geistig nicht würdig bist, um auf Elbanadors Burg zu weilen. Denke an nichts. Dann wirst du ihr keinen Widerstand entgegenbringen und nur ein Gefäß ihrer eigenen Gedanken sein.
Arvan versuchte, an nichts zu denken. Er fand das im ersten Moment nicht besonders schwer, so verwirrt wie er war.
Verwirrung ist nicht gleichmütige Leere, mahnte ihn Brass Elimbor jedoch.
Ein leeres Gefäß für die Gedankenkräfte anderer sollte er also sein. Er dachte daran, dass Lirandil den Elbenstab ebenfalls mit einem leeren Gefäß verglichen hatte, nachdem dessen Kräfte auf Ghool übergegangen waren. Irgendwie schien das auf seltsam anmutende Weise zueinanderzupassen.
» Arvan Aradis mag kein Angehöriger des Elbenvolkes sein « , sagte nach einer angemessenen Pause Prinz Eandorn. » Aber er steht als Träger eines Elbenstabes in der Nachfolge unseres Ersten Königs. Elbanador hat seinerzeit darüber so entschieden, dass kein Angehöriger jener Völker, die zur Zeit der Schlacht am Berg Tablanor Athranor bevölkerten, die Macht zu benutzen vermag, mit der er Ghool damals besiegte. «
» Die Tatsachen bleiben von Eurer Aussage unberührt, mein Prinz « , beharrte Braa Namra. » Er ist ein Fremder. Sein Geist ist primitiv, und Elbanador kann nicht gewollt haben, dass so jemand an diesem besonderen Ort weilt– geschweige denn sein Erbe antritt. «
» Es ist, wie es ist « , entgegnete Eandorn. » Arvan trägt den Elbenstab. Niemand kann dies bezweifeln. Und sosehr es manche aus unserem Volk auch noch immer schmerzen mag, dass unser Erster König den Runenbaum vor seinem eigenen Volk verbarg, so ist auch dies eine Entscheidung, die gefallen ist und die wir nicht mehr ändern können. «
» Uns Elben geht dieser Krieg nichts an « , sagte Braa Namra. » Elbanador hat für uns die Schuldigkeit vor langer Zeit erbracht, als er Ghool besiegte. Dass er wieder erstarkt ist, war nicht unsere Schuld. Sollen wieder die besten unserer Magier und Schamanen vor tödlicher Erschöpfung sterben, nur weil ein übermütiger fünfzahniger Ork Mächte aus dem Dunkel hervorgelockt hat, die dort noch lange hätten bleiben können, ohne Schaden anzurichten? «
» Gebietet es nicht der Respekt vor unserem Ersten König, dass wir ihn
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