Der beiden Quitzows letzte Fahrten
in welcher die steinerne Figur irgend eines der vielen Heiligen stand, die von der römischen Kirche verehrt werden.
»Ist hier der Eingang?« frug Cuno.
»Ja. Die frommen Brüder haben, als sie die Pläne zu dem Bau entwerfen ließen, gar wohl daran gedacht, daß es in einem heiligen Hause Manches giebt, was wir andern, sündigen Menschenkinder nicht zu wissen brauchen. Darum haben sie weidlich für die Anlegung von allerlei Schleichwegen und Verstecken gesorgt, deren Entdeckung wir nur dem Zufall zu verdanken hatten. Das ist der Evangelist Lucas, vor dem Ihr steht. Der Stein, auf welchem er sitzt, ist hohl. Schiebt doch einmal auf dieser Seite kräftig nach innen!«
Dietz kniete nieder und that es; die Platte, an welche er drückte, wich nach innen und ließ sich so weit zurückschieben, daß eine Oeffnung entstand, durch welche der stärkste Mann zu schlüpfen vermochte.
»Steigt getrost hinein! Ich werde als Letzter die Oeffnung wieder schließen.«
Die Beiden folgten dieser Rede, da sie Vertrauen zu dem Manne haben konnten, der durch das Gedächtniß seines Bruders ihnen ja zu Danke verpflichtet und an sie gebunden war. Eine Reihe schmaler Stufen führte in die Tiefe und endete plötzlich vor einer Mauer, welche keinerlei Fortsetzung des Weges zeigte.
»Wo nun hin, Jobst?«
»Wartet einmal! Wir wollen erst sehen, wer sich in dem Keller befindet und wie es darinnen ausschaut.«
Er trat zu ihnen hart an die Wand.
»Fühlt Ihr hier diese eisernen Handgriffe? Es sind ihrer mehrere.«
»Ja. Wozu dienen sie?«
»Die Steine, in welche sie befestigt sind, wurden spitz zugehauen und wie ein Keil ohne Mörtel in die Mauer gefügt. Nun lassen sie sich leicht herausziehen, so daß Löcher entstehen, die, auf unserer Seite hoch und breit und auf der andern nur schmal und niedrig, uns gestatten, unbemerkt den ganzen Keller zu überblicken und Alles zu hören, was in demselben gesprochen wird. Macht Euch jeder eine Oeffnung! Ich werde für mich desgleichen thun!«
Es war so, wie der wohlorientirte Führer sagte; die Steine wurden zurückgezogen, und es bot sich den Brüdern ein Anblick, welcher sie lebhaft fesselte.
Vor ihnen lag ein großer, aber niedriger und nur spärlich erleuchteter Kellerraum, in welchem sich eine Menge von Geräthschaften und Gegenständen befand, welche auf das Handwerk der Bewohner desselben sofort schließen ließ. An einer der Säulen, welche die Decke trugen, stand ein kräftig gebauter, dunkeläugiger, junger Mann, dessen Aeußeres einen achtungerweckenden Eindruck machte, der selbst durch die starken Bande, welche Arm und Beine umschlangen, nicht gemindert werden konnte. Er schien nicht die mindeste Aufmerksamkeit für das um ihn Vorgehende zu haben und sein Interesse ausschließlich einer zweiten Person zuzuwenden, welche ebenso gefesselt zu seinen Füßen lag. Seitwärts von ihnen standen die abenteuernden Bewohner der Ruinen in einem wirren Knäuel bei einander und führten einen Wortwechsel, welcher mit jeder Sekunde an Heftigkeit zunahm.
»Seht Ihr den jungen Mann an der Säule liegen?« frug Jobst.
»Wer ist es?«
»Es ist Herr Carl von Uchtenhagen, welcher bei uns in dem Brunnen war und unsere Banden löste. Er ist verwundet worden und kann wohl nur schwer stehen. Der Andere kann kein Anderer als Hans, sein Bruder, sein.«
»Gott sei gedankt! Ich hatte große Sorge um ihr Leben. Aber sagtest Du nicht, daß sie in die ›Betlöcher‹ geschafft worden seien?«
»So war es auch. Jedenfalls hat man sie herbeigeholt, um ihnen ein Gericht zu setzen. Dabei aber ist man gestört worden, denn die Unsrigen sind schon eingetreten, und ich glaube, daß es zu einem Handgemenge kommen wird.«
»Wir müssen in den Keller. Zeige uns schnell, wie dies uns gelingen mag!«
»So kommt! Doch erschrecket nicht, denn es wird sich ein erstaunliches Geräusch erheben, welches sich die frommen Väter ausgesonnen haben, um bei ihrem unerklärlichen Erscheinen Diejenigen in Angst und Furcht zu versetzen, welche in dem Keller sind. Der ›schwarze Dietrich‹ kam nur auf diese Weise zu uns, und darum hatten Alle eine so große Scheu vor ihm, da Niemand sich enträthseln konnte, wie er so plötzlich unter ihnen stehen könne. Seht Ihr die starke, dicke Säule dort in der Mitte?«
»Ja.«
»Aus Ihr werden wir herauskommen.«
»Das muß man ja sehen?«
»O nein, denn das Geräusch wird Aller Blicke empor nach der Decke richten. Man muß nur etwas schnell verfahren, wenn man, wie wir, zu Mehreren
Weitere Kostenlose Bücher