Der beiden Quitzows letzte Fahrten
Gefängniß schleppen, ich gehe aber nicht mehr mit. Gebt mir erst meine Kinder zurück, die Ihr mir hier geraubt habt! Wo sind sie? Weshalb haltet Ihr Euer Versprechen, mich mit meinen Kindern zusammenzubringen nicht? Nun soll ich wohl gar umgebracht werden? Mörder seid Ihr! Hülfe! Hülfe!«
Die aus ihren Zellen befreiten Männer standen, als sie diese aufregende Scene sahen, ängstlich, unentschlossen, ob sie der Frau oder dem Wachtmeister beistehen sollten, welcher sich vergebens bemühte, die mit Händen und Füßen den Mann von sich abwehrende Unglückliche, deren gellendes Geschrei bei der herrschenden Stille weithin hörbar sein mußte, zu beruhigen und zum Weitergehen zu bewegen.
Als er indeß wahrnahm, daß seine Bemühungen ohne Erfolg blieben, wandte er sich zu dem neben ihm stehenden Jobst:
»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche; es pleipt mir nichts anderes üprig, als das Weip zu pinden und zu knepeln: sie hetzt uns durch das furchtpare Geschrei noch Gott weiß wen auf den Hals und die Junker warten dann vergepens auf uns. Hast Du ein Tuch hier?«
»Ich ein Tuch?« fragte dieser aber erstaunt zurück, »wie kannst Du nur eine solche Frage an mich richten?«
»Ha,« rief er die Männer an, welche neben ihm stehend eben ein leises Gespräch angeknüpft hatten, »hat Einer von Euch ein Tuch bei sich?«
Schweigend griff einer der Kaufleute in die Tasche und überreichte Jobst das Verlangte.
Dieser war eben im Begriff, der Weisung des Wachtmeisters zu folgen und der in entsetzlichen Lauten »Hülfe« und »Mörder« schreienden Frau den Mund zu verbinden, als der diese mit beiden Händen festhaltende Wachtmeister sich plötzlich aufrichtete und den Kopf lauschend seitwärts bog.
Pferdegetrappel wurde vernehmbar und bald vermochten er sowohl als Jobst zu unterscheiden, daß mehrere Reiter sich näherten.
Jobst blieb mit dem Tuche in der Hand einen Augenblick lauschend stehen und dieser eine Moment wurde entscheidend für die fernere Gestaltung ihres Ergehens.
Die Gräfin schrie, während Jobst mit dem Tuche vor ihr stehen blieb, noch einmal laut auf und die Reiter mußten diesen Hülferuf gehört haben.
Sie hielten ihre Pferde einen Moment an, sprengten dann aber vom Wege ab in der Richtung in den Wald hinein, von woher sie den Hilferuf vernommen hatten, und hielten bald vor dem Wachtmeister, welcher die sich noch immer, wenn auch, da ihre Kräfte erlahmten, schon schwächer wehrende Frau Jobst überließ und sein Schwert in der Faust nach dem Begehr der Herren fragte.
»Was geht hier vor?« fragte der eine der beiden Reiter, ein großer, starker Mann, dessen Kleidung und Haltung dem Wachtmeister sofort verrieth, daß er hier einem Ritter gegenüber stehe, der im Stande sei, genügende Antwort mit dem Schwerte zu erzwingen, und ein Blick auf den Begleiter desselben, eine hühnenhafte Gestalt auf eben so starkem Pferde, ließ es ihm vollends gerathen erscheinen, mit einer offenen Auskunft nicht zu zögern.
»Die Frau da will uns nicht folgen, und ich hape ihr epen pegreiflich machen wollen, daß der Wachtmeister Caspar Liepenow sich im Nothfalle Gehorsam zu erzwingen weiß!«
»Oho,« rief der Reiter staunend, »Du scheinst ein entschlossener Bursche zu sein. Bevor Du Dir Gehorsam erzwingst, sage erst, von wo Du die Frau bringst und wohin sie geführt werden soll. Wie heißt sie?«
Die Gräfin war bei der Ankunft der Reiter einen Augenblick still gewesen, verwundert starrte sie dieselben groß an; bald fing sie aber von Neuem an zu schreien:
»Wo sind meine Kinder, Ihr Räuber, Ihr Mörder! Hilfe, Hilfe, Ihr wollt auch mich ermorden, wie Ihr meinen Gemahl getödtet habt!«
»Seid unbesorgt, Frau!« rief ihr der fremde Ritter zu, »Euch soll nichts Uebles mehr geschehen!«
»Mordelement,« polterte der Wachtmeister dazwischen, »Gott straf mich, wenn ich fluche. Wir hapen nichts Pöses vor; das Weip soll mir nur zu meinem Junker folgen. Doch wer seid Ihr denn? Wie könnt Ihr Euch denn in meine Angelegenheit mischen, die Euch nichts angeht?«
»Halt’s Maul,« rief ihm der Ritter streng zu, »oder Henning von Bismarck wird Dir zeigen, daß er einen frechen Burschen zum Schweigen zu bringen versteht!«
»Was ist Euch denn geschehen?« wandte er sich nun nochmals zu der Frau, die den Blick jetzt unverwandt auf den Begleiter des Herrn Henning von Bismarck gerichtet hielt und alle Fragen des Letzteren unbeantwortet ließ.
»Herr Henning von Bismarck seid Ihr?« brummte der
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