Der beiden Quitzows letzte Fahrten
Ritters herschreitend mit sich fort.
Als sie ein paar Minuten später auf der Straße angelangt waren, schien die Frau ruhiger zu werden. Sie hörte auf zu schreien und zu jammern und folgte willig ihrem Führer, der es gleichfalls vorzog, dem Befehle des Ritters gehorsam zu sein.
»Euch wie mir,« begann der Ritter zu Detlev, »wird die Frage vorschweben, wohin wir uns mit der, wie es scheint, in Folge langer schmählicher Kerkerhaft, geistig nicht mehr ihrer selbst mächtigen, armen Frau wenden sollen. Euch wie mir wird es unzweifelhaft erscheinen, daß sie gerettet werden muß, in welcher Weise wir das aber bewerkstelligen wollen, ist mir nicht ganz klar!«
Detlev schwieg noch einige Augenblicke, dann erwiderte er in einem Tone, der von einem bereits gefaßten, festen Entschlusse zeugte:
»Der nächstgelegene Ort, an welchem die Unglückliche vorläufig untergebracht werden könnte, ist jedenfalls mein Heim. Ich erachte es deshalb für das Zweckmäßigste, da wir ja doch nach Tangermünde reiten, die Frau mit uns zu nehmen und zu sehen, ob es mit der Zeit möglich ist, ihr zum vollen Gebrauch ihrer geistigen Fähigkeiten wieder zu verhelfen!«
»Ich möchte Euch wohl beistimmen,« meinte der Ritter nachdenklich, »wird aber auch Herr Suteminn mit Eurem Vorhaben einverstanden sein?«
»Doch! Doch!« versicherte Detlev eifrig, »ich kenne das edle Herz des Ritters zu gut, um nicht zu wissen, daß er meine Bitte um Aufnahme der Unglücklichen bereitwilligst gewähren wird.«
Schweigend setzten die beiden Reiter und zwischen diesen Jobst mit der Gräfin ihren Weg fort und bogen, nachdem sie eine kurze Strecke noch auf dem Wege fortgeritten waren, in einen Seitenweg ein.
Mehrmals mußten sie zwar in Rücksicht auf die durch ungewohnte lange Fußwanderung ermüdete Gräfin längere Zeit anhalten und konnten dann zum geheimen Aerger des Ritters, welcher, um schneller vorwärts zu gelangen, die Frau gern auf das Pferd gehoben hätte, wenn dies nur irgend möglich gewesen wäre, auch nur langsam ihren Weg fortsetzen. Bald nach Tagesanbruch erreichten sie endlich Tangermünde, und Herr Henning von Bismarck athmete hoch auf, als er Jobst befahl, den Klopfer am Thore des sogenannten »Zauberhauses« in Bewegung zu setzen.
Die Alte öffnete und Detlev handelte nur vorsichtig, als er vor dem Thore noch vom Pferde stieg und zuletzt den Hof betrat. Die Frau sowohl als Jobst prallten zurück, als sie den riesigen Hund und den Leoparden vor sich stehen und die beiden furchtbaren Thiere die Zähne fletschen sahen.
An ein Zurückweichen war, da Detlev das Thor inzwischen wieder geschlossen, nicht mehr zu denken, und der Letztere führte nun, während Herr von Bismarck, im Hofe stehend, der Unterbringung der Pferde zunächst seine Aufmerksamkeit widmete, die fast zusammenbrechende Frau selbst in das Wohngemach, wo seine Schwester beschäftigt war.
Mit dem Freudenschrei »Detlev, lieber Bruder!« wollte sie ihm entgegeneilen, blieb aber, als sie der leidenden, fremden Frau ansichtig wurde, die Detlev zu einem Stuhle geleitete, erschrocken einen Augenblick stehen.
»Komm nur näher, lieb Schwesterchen,« rief ihr Detlev freundlich bittend zu, »ich habe hier eine Hülfsbedürftige mitgebracht, für die ich gewiß nicht vergeblich Dein mitleidiges Herz anrufen werde!«
Rasch folgte sie diesem Rufe und war schon mit der Fremden beschäftigt, als von der einen Seite Herr von Bismarck und von der andern der von der Ankunft der beiden Herren bereits benachrichtigte Ritter Suteminn in das Gemach trat.
»Willkommen, willkommen!« rief der Ritter Herrn von Bismarck, wie auch dem ihm entgegeneilenden Detlev zu, und lud sie ein, ihm in sein Gemach zu folgen.
In diesem Moment fiel sein Blick auf die Fremde, welche, von Müdigkeit überwältigt, eingeschlafen war und durch Marie mit Mühe aufrecht erhalten wurde.
»Wer ist diese Frau? Wie kommt sie hierher?« fragte er rasch, wobei sein forschender Blick zu den beiden Männern und von diesen zurück auf die Frau schweifte, auf dieser aber länger haften blieb, als er sich selbst zu erklären vermochte.
»Ich werde Euch in Eurem Gemach Antwort auf diese Frage ertheilen, so gut ich dies eben selbst vermag!« erwiderte der Ritter von Bismarck mit gedämpfter Stimme, »erlaubt der Armen nur ein wenig zu ruhen!«
»Gewiß, gewiß! Marie, nimm Du Dich der Frau an; verschafft ihr,« wandte er sich zu der eben eintretenden Alten und zu Marie, »eine Ruhestätte und sorgt für
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