Der Benedict Clan 01 - Auf immer und ewig
Mutter hörte, schlang Stephan die Arme um sie und barg das Gesicht an ihrer Seite.
„Na und? Es hat ihm nicht geschadet", entgegnete Gervis gereizt.
Weil ihr Cousin es so wollte, war sie von ihrem Kind getrennt worden. Er hatte ihr Stephan weggenommen und ihn der Obhut von Fremden überlassen. All ihre Proteste, dass ihr Sohn normal sei, wurden mit medizinischer Fachsprache und Statistiken weggewischt. Herablassend hatte man ihr erklärt, keine Mutter wolle es wahrhaben, dass ihr Kind nicht perfekt sei. Sie hatte Verrat an ihrem Sohn begangen, indem sie auf diese Leute hörte, indem sie sich einreden ließ, sie tue das Richtige für Stephan. Ganz umsonst war er wie ein kleiner blasser Zombie gehalten worden. Ganz umsonst.
Regina wurde von einer unsagbaren Wut gepackt. Noch nie in ihrem ganzen Leben war sie so außer sich vor Wut gewesen. Sie hätte Gervis in diesem Moment umbringen können.
Die Stimme wollte ihr kaum gehorchen, als sie sich an ihren Sohn wandte. „Hol deinen Rucksack, Stephan. Pack nur das hinein, was du wirklich brauchst. Alles andere lässt du hier."
Gervis stemmte die Hände in die Hüften. „Wenn du glaubst, du könntest einfach so verschwinden, dann hast du dich getäuscht."
„Wir ziehen aus." Mit einer dumpfen Vorahnung beobachtete sie, wie Stephan zu seinem Schrank rannte, seinen Rucksack herauszog, Jeans und ein paar Hemden hineinstopfte und dann zwischen den Spielzeugen auf seinem Regal herumkramte.
„Das glaube ich kaum." Gehässigkeit glitzerte in Gervis' Augen. „Nicht mit dem Jungen."
„Ich lasse es nicht zu, dass mein Sohn hier bleibt."
„Dein Sohn? Vergisst du da nicht ein paar wichtige Details?"
„Ich glaube nicht."
„Zum einen", sagte er, die Punkte an seinen kurzen dicken Fingern abzählend, „musst du erst einmal an Michael vorbeikommen. Und zweitens gehört der Junge mir."
Regina öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen, als es ihr einfiel. Gervis war auf der Geburtsurkunde als Stephans Vater eingetragen. Sie selbst hatte es veranlasst, weil die Krankenschwester, die die Papiere ausgefüllt hatte, darauf bestand, einen Namen auf dem Formular anzugeben. Sie wusste, Gervis würde nichts dagegen haben, und außerdem wollte sie damit verhindern, dass der richtige Vater jemals den Jungen für sich beanspruchen konnte.
Mit der Zungenspitze strich sie sich über die trockenen Lippen. „Du kannst ihn mir doch nicht wegnehmen?"
„Wollen wir wetten?"
Was sie in diesem Moment wollte, war, ihm das schadenfrohe Grinsen, die selbstgefällige Genugtuung aus dem Gesicht schlagen. „Ich werde mich dagegen wehren."
„Tu das, wenn du meinst, du kannst gewinnen."
Wenn du meinst, du kannst gewinnen ...
Glaubte sie es? Konnte sie es? War es möglich?
Gervis war reich, konnte sich die besten Rechtsanwälte leisten und besaß jenen rachsüchtigen Ehrgeiz, der ihn aus jedem Kampf als Sieger hervorgehen ließ. Wenn Stephan bei dem Tauziehen Schaden nahm, würde Gervis ihr die Schuld daran geben, nicht sich selber. Er würde ihr vorhalten, dass sie hätte tun sollen, worum er sie bat, ihm geben, was er verlangte.
Und vielleicht hatte er ja Recht.
Nein, sie konnte nicht gewinnen.
Sie stieß ein Lachen aus, das unsagbaren Schmerz verriet. Sie musste lachen, um nicht laut aufzuschreien. Stephan schien gespürt zu haben, was ihr Lachen bedeutete, denn er wandte sich um und sah sie an. Dann legte er langsam das Spielzeug, das er ausgesucht hatte, aufs Regal zurück und ließ seinen Rucksack zu Boden fallen. Er war wirklich ein kluges Kind.
Regina streckte die Hand nach ihm aus. Sie wartete, bis er an ihrer Seite war, ehe sie sich an Gervis wandte. „Was willst du von mir wissen?"
„Na, das klingt ja schon viel besser." Spöttisch verzog Gervis die Lippen. „Alles will ich wissen, jede Einzelheit, die du über Crompton gehört hast, selbst die unwichtigsten Dinge. Das sollte für den Anfang genügen."
Regina zermarterte sich das Hirn, suchte fieberhaft nach irgendetwas, womit sie Gervis zufrieden stellen konnte. Schließlich fiel ihr etwas ein. „Nun, er hat zum Beispiel einen Sarg in dem Salon seines alten Hauses stehen."
„Gut, gut, da könnten wir vielleicht andeuten, dass der alte Narr nicht ganz richtig im Kopf ist, dass er sich für einen Vampir hält, irgendetwas in der Richtung. Was weißt du sonst noch? Los, sag es mir."
„Er hat eine Freundin, mit der er schon sehr lange liiert ist. Aber erst jetzt hat er sich entschlossen, sie zu heiraten. Ich glaube,
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