Der Benedict Clan 01 - Auf immer und ewig
„Wir haben noch einiges zu bereden."
Regina gab ihm keine Antwort. Nachdem sie ihre Schultertasche aufs Bett geworfen hatte, ging sie zur Tür zurück, legte die Hand auf Gervis' massige Brust und stieß ihn beiseite. Es musste die Überraschung gewesen sein, die ihn zurückweichen ließ, überlegte sie flüchtig. Aber wie auch immer, der Grund spielte keine Rolle. Sie wäre durch ihn hindurchgegangen, wenn es hätte sein müssen. Sie ging ein paar Schritte durch den Flur und öffnete die Tür des Nebenzimmers.
Der kleine Junge im Bett blickte von dem Buch auf seinem Schoß auf. Die Nachmittagssonne, die in den Raum flutete, ließ sein braunes Haar rötlich schimmern und sein schmales blasses Gesicht zerbrechlich wie Porzellan wirken. Sein Blick war matt.
Er schien Schwierigkeiten zu haben, die Augen offen zu halten. Als er Regina sah, breitete sich ein glückliches Lächeln auf seinem Gesicht aus.
„Mama!" rief er und begann ungeschickt aus dem Bett zu klettern.
Mit zwei Schritten war Regina bei ihm, ließ sich auf dem Bett nieder und zog ihn an sich. Während sie ihn liebevoll in ihren Armen wiegte und seinen vertrauten Geruch einatmete, murmelte sie leise: „Stephan, mein Kleiner, du hast mir so gefehlt."
„Du mir auch", sagte der Junge mit schwerer Zunge.
„Wie schön, dann wäre das ja geklärt", bemerkte Gervis mit ungeduldigem Spott von der Tür aus. „Können wir jetzt vielleicht reden, Gina?"
Regina ignorierte ihn. Sie schob ihren Sohn ein Stückchen von sich weg, um forschend sein kleines Gesicht zu betrachten. „Wie geht es dir, mein Liebling? Haben dich alle gut behandelt?"
„Ich glaube ja." Stephan sah hastig zu Gervis herüber, zuckte nervös die Schultern und senkte dann den Blick.
Regina krampfte sich der Magen zusammen. Aber sie verzichtete darauf, das Thema eingehender zu erörtern. „Was macht die Schule? Ist alles okay? Hast du Spaß gehabt?"
„Ich..."
„Was ist, Liebling?"
„Ich wäre lieber bei dir zu Hause."
Regina zog ihn wieder an sich. „Ich wünschte, das wäre möglich, Liebling. Ich wünsche es mir so sehr."
Gervis schnippte ungeduldig mit den Fingern. „Ich warte auf dich, Regina."
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Dann wandte sie sich wieder an ihren Sohn. „Wo ist deine Krankenschwester?"
„Sie hat sich hingelegt", antwortete der Junge langsam, als hätte er Schwierigkeiten, sich zu erinnern. „Ich soll auch einen Mittagsschlaf halten."
„Einen Mittagsschlaf? In deinem Alter ist das nicht mehr notwendig, Stephan." Der Junge war neun Jahre alt und normalerweise viel zu aufgedreht, um am Tag zu schlafen.
„Sie meint aber, dass ich schlafen soll. Und Michael hat es auch gesagt."
Michael war der Hausmann und Bodyguard ihres Cousins. Regina fragte sich unwillkürlich, ob Stephans Krankenschwester ihrem Sohn womöglich mit dem muskelbepackten Exfootballspieler gedroht hatte.
„Wir können auch hier reden, wenn dir das lieber ist." Gervis kam ins Zimmer und pflanzte sich vorm Bett auf. „Vielleicht wäre es sogar besser."
Regina sah zu ihm auf. Entschlossenheit lag in ihren Zügen. „Das glaube ich kaum, Gervis."
„Ich bin es leid, dass du mir dauernd ausweichst, Baby. Ich will wissen, was da unten in Louisiana los war. Ich will wissen, wieso du dich plötzlich gegen mich wendest."
„Nachdem ich weiß, von wem du deine Informationen beziehst, kann ich dir nur sagen, dass du dich schämen solltest, auch nur ein Wort davon zu glauben."
„Soll das heißen, dass es nicht stimmt?"
„Natürlich stimmt es nicht."
Er schnaubte verächtlich. „Wie kommt es dann, dass ich nichts, null, von dir erfahre?"
„Ist es dir mal in den Sinn gekommen, dass es vielleicht nichts zu erfahren gibt, keine schmutzigen Geheimnisse, über die ich dir berichten könnte?"
„Willst du damit sagen, dieser Verein da unten ist so sauber, dass ich es aufgeben soll? Niemals. Entweder du hast dich nicht richtig bemüht, oder du versuchst mir etwas vorzuenthalten."
„Das ist nicht wahr."
„Nein? Slater hat mir erzählt, wie du dich an Benedict herangemacht hast. Warum habe ich nichts davon erfahren? Warum erhielt ich keinen Bericht über eure Unterhaltungen? Oder habt ihr nicht geredet, weil ihr zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt wart?"
„Bitte ...", sagte Regina mit einem viel sagenden Blick auf Stephan, der sie beide mit großen ängstlichen Augen beobachtete.
„Mach kein Theater, Gina. Der Junge soll ruhig erfahren, wen er da zur Mutter hat.
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