Der Benedict Clan 01 - Auf immer und ewig
blutest", sagte sie vorwurfsvoll, als hätte er ein schreckliches Verbrechen begangen.
„Ich weiß."
„Warum hast du nichts gesagt? Bist du so ein Macho, dass du den Märtyrer spielen musst?"
„Es ist nicht so schlimm."
„Nein, sicher nicht. Bloß ein Kratzer, was? Für wen hältst du dich? Eastwood und Stallone in einem?"
Er grinste, er konnte nicht anders. „Warum bist du so wütend? Ich bin doch derjenige, der den Schuss abgekriegt hat."
„Weil du Stephans Sachen mit Blut verschmiert hast, du Dummkopf", antwortete sie und zerrte den tropfenden Rucksack von ihm weg. „Komm, lass uns nach hinten gehen, damit ich dich verarzten kann."
Luke blickte kurz zu ihr herüber. Dabei runzelte er besorgt die Stirn. „Der Erste-Hilfe-Kasten liegt in einem der Fächer", sagte er. „Er sollte genug Verbandszeug enthalten."
Regina nickte und beugte sich wieder vor, um Kane den Sicherheitsgurt vom Schoß zu nehmen. „Komm, steh auf!" befahl sie. Dabei nahm sie seinen Arm und legte ihn sich um den Hals. „Ich kann dich nicht allein hochwuchten, aber ich tue, was ich kann."
Kane ließ sie einen Teil seines Gewichts tragen. Nicht, weil er es nicht allein geschafft hätte, sondern weil er der Versuchung nicht widerstehen konnte, sich von ihr stützen zu lassen. Er wollte testen, wie weit ihre Fürsorge ging. Außerdem interessierte ihn ihre Motivation. Wurde ihr Handeln von Dankbarkeit oder Schuldgefühlen bestimmt, von ganz normaler Hilfsbereitschaft oder von etwas anderem, das er nicht benennen konnte?
Behutsam half sie ihm aus der Jacke. Sie runzelte die Stirn und biss sich auf die Unterlippe angesichts des blutigen Anblicks, der sich ihr darunter bot. Trotzdem begann sie sofort, sein Hemd aufzuknöpfen. Die Geste erinnerte Kane an die vergangene Nacht, als er sie quasi gezwungen hatte, ihn zu entkleiden. Fast kam es ihm vor, als sei diese Wiederholung unter so anders gearteten Umständen die gerechte Strafe für das, was er ihr angetan hatte.
„Warum hast du uns nichts davon gesagt, ehe wir abflogen?" fragte sie beklommen. „Du brauchst mehr als einen Verband. Du brauchst einen guten Arzt."
„Weil wir dann vermutlich den Rest der Nacht in der Notaufnahme eines Krankenhauses zugebracht und den morgigen Tag auf irgendeiner Polizeiwache herumgesessen hätten, weil jeder Arzt dazu verpflichtet ist, Schussverletzungen zu melden. Nein danke, ohne mich."
„Und du willst lieber verbluten?"
„Ich will, dass du aufhörst, mir Vorträge zu halten, als sei ich nicht älter als dein Sohn. Sieh lieber zu, dass du mich endlich verarztest."
Sie warf ihm einen gereizten Blick zu. „Ich versuche es ja!"
Das tat sie wirklich, obwohl er sah, wie sie blass wurde, als sie die blutende Wunde eingehender betrachtete. Aber sie schreckte nicht davor zurück, ihn zu versorgen, sondern schluckte nur hart und machte sich dann an die Arbeit. Als ihr Haar dabei seinen Arm streifte, durchzuckte ihn Begehren. Ihr sauberer, frischer Duft verwirrte seine Sinne. Seine Wunde schmerzte, und er musste gegen ein Schwindelgefühl ankämpfen. Und doch konnte er nur daran denken, Regina auf seinen Schoß zu ziehen und zu testen, wie gründlich sie ihn in sich aufnehmen, wie tief er sich in sie schieben konnte, ehe er das Bewusstsein verlor.
Wenn er es nicht schon vorher verlor. Er strich sich mit der Zunge über die ausgetrockneten Lippen. „Könntest du mal nachsehen, ob wir Orangensaft oder irgendwelche kalten Getränke an Bord haben?" fragte er.
„Orangensaft?" wiederholte sie.
„Ich brauche den Zucker wegen der Glukose, um den Blutverlust auszugleichen."
Sie warf ihm einen schnellen, abschätzenden Blick zu und richtete sich dann hastig auf. „Ich werde mal nachsehen."
Der Saft war süß und kalt, weckte seine Lebensgeister und gab ihm neue Kraft wie eine Bluttransfusion. In einem Zug trank er eine ganze Dose aus und verlangte eine zweite. Danach vermochte er wach zu bleiben, während Regina vorsichtig das blutverkrustete Hemd von der Wunde abzog. Sie würde lieber nicht versuchen, die Verletzung zu reinigen, erklärte sie ihm, denn die
Blutung sei schon fast zum Stillstand gekommen, und sie wolle nicht das Risiko eingehen, die Wunde wieder aufzureißen.
Kane war es recht so. Sein Hausarzt, ein Mann in Pops' Alter und zweimal so diskret, würde sich zu Hause um ihn kümmern. Das sagte er auch Regina, die sich damit zufrieden gab. Sie packte einige Lagen Mull auf die Wunde und bandagierte ihn so gründlich, dass er das Gefühl
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