Der Benedict Clan 01 - Auf immer und ewig
Aber so war sie leider nicht zu gebrauchen.
„Es ist bestimmt ein verantwortungsvoller Beruf, so ein Beerdigungsinstitut zu führen", sagte sie vorsichtig.
„Oh ja", meinte Tante Vivian. „Die Leute haben die merkwürdigsten Wünsche."
„Wieso?"
„Einige wollen mitsamt ihrem Schmuck, andere mit Familienfotos begraben werden. Eine Witwe verlangte, dass man ihr die Totenmaske ihres Mannes mit in den Sarg legte. Und dann war da der Mann mit dem Pharao-Komplex, der seine Katze mit ins Jenseits nehmen wollte. Da Mr. Lewis als Katzenliebhaber es niemals über sich gebracht hätte, das arme Tier zu töten, ließ er diesen Wunsch einfach unter den Tisch fallen."
„Das kann ich gut verstehen", meinte Regina.
„Einen anderen, sehr ungewöhnlichen letzten Wunsch jedoch erfüllte er, weil er ihn tief berührte. Eine Frau aus Turn-Coupe hatte einen Streit mit ihrem Liebsten, worauf sie ihm davonlief und den falschen Mann heiratete. Sie war ihm ihr Leben lang eine gute Ehefrau. Aber als sie Krebs bekam und wusste, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte, bat sie Mr. Lewis, sie an der Seite des Mannes zu begraben, den sie nie aufgehört hatte zu lieben, ihren Liebsten, der ein Jahr vor ihr gestorben war. Als die Zeit kam, erklärte Mr. Lewis, sie habe auf einem geschlossenen Sarg bei der Trauerfeier bestanden, beförderte einen leeren Sarg in die vorgesehene Gruft und bettete die Frau neben ihrem Geliebten zur ewigen Ruhe."
„Und die Familie ist nie dahinter gekommen?" fragte Regina gespannt. Die Story war interessant, selbst wenn sich damit nicht viel anfangen ließ. Oder vielleicht doch? Konnten Gervis' Anwälte die Geschichte vielleicht so verdrehen, dass sich ein Fall von arglistiger Täuschung oder Betrug daraus konstruieren ließ?
„Nein, so viel ich weiß, nicht. Ich bin sicher, es hätte Folgen gehabt, wäre die Sache ans Licht gekommen. Aber jetzt sehen Sie vielleicht, mit was für einem großartigen Menschen Sie es zu tun haben?" Mit geneigtem Kopf blickte Vivian sie an.
Oh ja, das hatte Regina längst gemerkt. Mr. Lewis war viel zu gutherzig und zuvorkommend. Es war ihr eine grässliche Vorstellung, Verrat an ihm begehen zu müssen. Und fast noch mehr machte es ihr zu schaffen, dass sie auch seinem Enkel, der ihm so ähnlich war, damit schaden würde. Vorausgesetzt natürlich, das Geheimnis, das sie gerade erfahren hatte, würde ihrem Cousin für sein Vorhaben genügen. Was sie für sehr fraglich hielt.
Hinter ihnen kam Kane leise die Treppe herunter. „Luke bleibt bei Pops, bis er eingeschlafen ist, was nicht allzu lange dauern dürfte", sagte er zu seiner Tante. „Du bist doch auch ziemlich erschöpft. Warum legst du dich nicht hin, während ich mit Regina noch einen Spaziergang zum See herunter mache?"
Vivian Benedict blickte ihren Neffen prüfend an. Offenbar sah sie etwas in seinen Zügen, das Regina entging, denn sie widersprach seinem Vorschlag nicht. Freundlich dankte sie Regina, dass sie gekommen war, und meinte, man sähe sich ja dann bei ihrem nächsten Besuch. Dann zog sie sich zurück.
Kane bedeutete Regina, in die große Eingangshalle hinauszugehen, die zu den hohen Flügeltüren im hinteren Teil des Hauses führte, um dann neben ihr herzugehen, als sie die angedeutete Richtung einschlug. Als er die Tür für sie aufhielt, berührte sie aus Versehen mit der Schulter seine Brust. Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Sie war so angespannt, dass ihre Nerven zu vibrieren schienen. Ihr ganzer Arm prickelte bei der Berührung, und fast wäre sie zurückgewichen. Unter den gegebenen Umständen konnte sie seinen Wunsch nach einem Gespräch unter vier Augen kaum ablehnen. Sie war sogar dankbar, dass es ihr erspart blieb, das Zusammentreffen selbst herbeizuführen. Trotzdem fragte sie sich beunruhigt, was er wohl von ihr wollte.
„Sie wohnen also auch am See?" fragte sie, um das angespannte Schweigen zwischen ihnen zu brechen.
„Nicht so unmittelbar wie Luke", erwiderte er. „Mein Urgroßvater, der dieses Haus baute, wollte lieber näher an der Straße sein und das Hinterland für den Zuckerrohranbau nutzen."
„Irgendjemand, ich glaube, es war April, erzählte mir, Sie hätten als Teenager auf den Feldern gearbeitet."
„Ich nehme an, das war nicht alles, was sie Ihnen erzählte."
Regina warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. „Nein, sie erwähnte auch die Geschichte mit dem Spitznamen."
Er schüttelte verärgert den Kopf und vergrub die Hände in den Hosentaschen.
Regina
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