Der Benedict Clan 01 - Auf immer und ewig
weil Kane seinen Cousin gebeten hatte, ihm dabei zu helfen, den Patienten in sein Schlafzimmer im ersten Stock zu bringen. Während die beiden Männer und Tante Vivian den alten Herrn zur Treppe führten, begann Regina Tassen, Teller und Gläser zusammenzu- räumen.
„Lassen Sie das Zeug stehen, Liebes", sagte Tante Vivian über die Schulter. „Das mache ich später."
Kane, der seinem Großvater gerade die dritte Stufe hinaufgeholfen hatte, blieb stehen und blickte zu Regina hinab. „Aber Sie gehen doch noch nicht, oder?"
„Ich kann erst gehen, wenn Luke so weit ist", erwiderte sie, ungeschickt einen Stapel Tassen und Untertassen balancierend.
„Ich habe sie hergefahren", erklärte Luke, der den Patienten von der anderen Seite stützte.
Kane warf seinem Cousin einen schnellen Blick zu. Man sah ihm an, dass er nicht erfreut war über die Auskunft. An Regina gewandt, sagte er: „Ich bin gleich wieder da."
Es klang fast wie eine Drohung, was Regina jedoch zu ignorieren versuchte. Dass Mr. Lewis ihr zuwinkte, ehe er langsam mit seinen Begleitern die Treppe weiter hinaufstieg, machte ihr Mut.
Tante Vivian kam als Erste wieder zurück. Das warme Lächeln, mit dem sie Regina ansah, ließ sie um Jahre jünger wirken.
„Ich habe Mr. Lewis den Jungs überlassen. Ich denke, das wird ihm angenehmer sein. Möchten Sie noch Kaffee?"
Regina lehnte das Angebot dankend ab. „Glauben Sie, er wird sich wieder völlig erholen?"
„Aber sicher. Noch ein paar Tage Bettruhe, und er ist wieder ganz der Alte. Bis auf den Arm natürlich, der braucht eine Weile, um zu heilen. Mr. Lewis hat Glück gehabt."
„Ja", sagte Regina und war froh, dass Kanes Tante nicht wusste, wie viel Glück der alte Herr gehabt hatte.
„Er ist ein zäher alter Bursche. Manchmal denke ich, er ist widerstandsfähiger als wir alle." Vivian lachte leise. Mit einer Handbewegung bedeutete sie Regina, sich auf die Couch zu setzen, um sich dann seufzend neben ihr niederzulassen. „Er bezieht seine Kraft aus all den guten Werken, die er tut, aus der Freude, die es ihm bereitet, anderen Menschen über schwere Zeiten hinwegzuhelfen. Dass Miss Elise hätte verletzt sein können, machte ihm nach dem Unfall am meisten zu schaffen."
„Er scheint ein bemerkenswerter Mann zu sein", sagte Regina.
„Allerdings, und zwar in jeder Hinsicht. Sie würden staunen, was er sich so alles geleistet hat. Er redet immer gern davon, wie wild Kane als Junge war. Aber ich kann Ihnen versichern, dass diese Wildheit nicht allein ein Erbteil der Benedicts ist."
Es widerstrebte Regina, die Geschwätzigkeit von Kanes Tante für ihre Zwecke auszunützen, aber die Gelegenheit war zu günstig. Sie musste sie einfach wahrnehmen. „Das kann ich mir kaum vorstellen", sagte sie. „Mr. Lewis wirkt auf mich wie der perfekte Gentleman."
„Ich gebe zu, es fällt schwer, sich ihn anders vorzustellen. Aber er war ein ziemlicher Frauenheld, ehe er Mary Sue heiratete.
Es gibt da so einige Geschichten über ihn. Zum Beispiel sollen er und sein Vater in den frühen dreißiger Jahren dabei geholfen haben, einen Mord zu vertuschen."
„Tatsächlich?" sagte Regina überrascht. „Und jeder weiß davon?"
„Oh nein! Ich habe nur davon gehört, weil die Familie meines Mannes damit zu tun hatte."
„Die Benedicts." Regina erwähnte den Namen nur, um sicherzugehen, dass sie die Story richtig mitbekam.
„Genau. Ich bin nicht über alle Einzelheiten informiert, aber so viel ich weiß, hat irgendein Kerl einer Benedict-Frau nachgestellt. Es machte ihn verrückt, dass sie nichts von ihm wissen wollte, und eines Abends hat er ihr aufgelauert. Als man sie fand, war sie halb tot. Die Benedict-Männer stellten dem Angreifer nach - so wurden diese Dinge damals geregelt. Er schoss, als er sie kommen sah. Bei dem folgenden Feuergefecht wurde er getötet. Am nächsten Tag, so heißt es, brachte Cromptons Bestattungsinstitut bei dem Begräbnis der alten Oma Murphy zwei Särge übereinander in einem Grab unter. Sollten die Murphys die arme Seele jemals exhumieren, wären sie mit Sicherheit schockiert, wenn sie sähen, mit wem die Oma all die Jahre geschlafen hat."
Regina musste lächeln über Vivians drolligen Gesichtsausdruck. So tragisch der Vorfall sein mochte, lag er doch schon so lange zurück, dass er bloß noch eine ferne Legende war. Würde die Geschichte, die sie gerade gehört hatte, Mr. Lewis selbst, und nicht seinen Vater betreffen, hätte Gervis vielleicht etwas damit anfangen können.
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