Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
einem besorgten Stirnrunzeln. Er beobachtete sie mit verschlossener Miene, obwohl in den Tiefen seiner grauen Augen irgendeine dunkle, nicht ganz dienstliche Bewusstheit lauerte. Sie war so überrascht davon, dass sie bewegungslos dalag und kaum atmete, während sie von einer langsam heranrollenden Welle fiebriger Hitze überschwemmt wurde.
In diesem Augenblick ging die Tür auf. Eine dunkelhaarige Krankenschwester kam geschäftig auf sie zu und sagte: „Oh, Sie sind ja wach! Wie fühlen Sie sich?"
„Ihr geht es gut, uns geht es gut", erwiderte der Sheriff glatt, noch ehe Tory es schaffte, ihre Gedanken so weit zu ordnen, dass sie antworten konnte.
„Dann sollten wir dafür sorgen, dass es auch so bleibt, okay?" Trotz ihres munteren Tonfalls schien der Blick, den sie dem Sheriff zuwarf, eine Warnung zu enthalten. Sie griff nach Torys Handgelenk. „Ich muss nur kurz Ihren Puls messen."
Es war eine kurze Übung ohne Unterhaltungswert, aber der Sheriff schien sie interessant zu finden. Er schaute der Krankenschwester über die Schulter, während sie auf dem Krankenblatt Eintragungen machte. Als sie sich anschickte, das Zimmer zu verlassen, hielt er ihr die Tür auf und ging ihr dann nach auf den Flur. Hinter ihm fiel die Tür mit einem entschiedenen Klicken ins Schloss.
Tory konnte das Murmeln ihrer Stimmen auf dem Flur hören. Da es mit ziemlicher Gewissheit um sie ging, lauschte sie angestrengt, aber sie konnte nichts verstehen. Seufzend entspannte sie sich wieder in den Kissen.
Eben war sie zum zweiten Mal aufgewacht. Sie konnte sich erinnern, wie man sie in den Aufwachraum gebracht hatte, und später hatte sie bruchstückhaft mitbekommen, wie man sie über lange Flure in dieses Zimmer hier gekarrt hatte. Sie schaute sich um und machte stirnrunzelnd Bestandsaufnahme, halb in der Befürchtung, die Unterhaltung auf dem Flur könne bedeuten, dass ihre Verletzungen doch ernster waren, als sie glaubte.
Ihre Handgelenke waren beide verbunden, wahrscheinlich wegen der Abschürfungen durch das Klebeband. Auf ihr waren überall Plastikschläuche drapiert wie Weihnachtsgirlanden, einschließlich eines Schlauchs, der ihr aus einem Behälter automatisch in gewissen Dosen ein starkes Schmerzmittel zuführte. Über ihrer Schulter und dem oberen Teil ihrer Brust war ein dicker Verband, aber darunter spürte sie nur den ganz normalen Wundschmerz, wie man ihn nach jedem größeren Eingriff spürt. Sie konnte ihre Finger krümmen und strecken und ihren Arm bewegen, eine entschiedene Verbesserung zur vergangenen Nacht.
Sie war so weit okay, sie würde überleben. Was ein kleines Wunder war, das sie in erster Linie der ersten Hilfe verdankte, die man ihr auf einer dunklen Schotterstraße geleistet hatte.
Aber ihr das Leben zu retten war das doch Mindeste, was Sheriff Roan Benedict tun konnte, nachdem er auf sie geschossen hatte, oder? Hier war kein besonderer Dank nötig. Im Übrigen hätte er dasselbe auch für einen einsneunzig großen, dreihundert Pfund schweren Mann getan, der schuldig wie die Sünde war.
Sie war unschuldig. Und das hatte sie dem Sheriff auch gesagt, aber er hatte ihr nicht geglaubt. Das machte sie wütend. Tatsächlich machte es sie noch wütender als die Tatsache, dass er auf sie geschossen hatte. Der steife Ordnungshüter da draußen war so felsenfest davon überzeugt, dass sie eine Kriminelle war, dass er sie bewachte. So musste es sein. Einen anderen Grund für seine Anwesenheit gab es nicht.
Irgendwie musste sie ihn überzeugen. Bestimmt gab es doch irgendetwas, mit dem sie beweisen konnte, dass sie die Wahrheit sagte? Sie ließ die ganze Geschichte von Anfang an in ihrer Erinnerung Revue passieren, in der Hoffnung, es zu finden.
Sie hatte das Haus auf Sanibel Island wie jeden Abend verlassen, um am Strand zu joggen. Der Sonnenuntergang war herrlich gewesen, mit einem Himmel, der in Violett und Blutrot und Gold getaucht war. Sie war über den Privatstrand der Vandergraff-Villa gelaufen, an einem Hotel vorbei, wo die Touristen sich den Sonnenuntergang angeschaut, Schnappschüsse gemacht und endlose Meilen Videoband abgespult hatten. Der Wind hatte den Geruch frittierter Muscheln zu ihr herübergetragen, der von einem Restaurant in der Nähe kam. Sie war gelaufen und gelaufen, bis das Rascheln des Windes in den Blättern der Palmen am Strand und die langsam hereinbrechende Dämmerung ihre strapazierten Nerven allmählich beruhigt hatte. Schließlich hatte sie einen einsamen Strandabschnitt mit
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