Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
es so auf Ihrem Fußkettchen." Der Arzt wechselte einen kurzen Blick mit Roan, bevor er zum Nachttisch ging, Wasser einschenkte und Tory das Glas reichte.
Deswegen also, dachte sie und schaute auf ihre Bettdecke, während sie einen Schluck trank. Das Fußkettchen war ein Geschenk ihrer Mutter, das sie wie einen Schatz hütete, eins der wenigen Dinge, die ihr etwas bedeuteten. Auf dem wertvollen Schmuckstück stand der Kosename, den ihre Eltern ihr gegeben hatten, als sie noch ganz klein gewesen war. Er war eine Abkürzung für „Kleine Madonna", den Kosenamen, den die altmodischen Bediensteten ihrer italienischen Großeltern gebraucht hatten. Ihr Großvater war ein Prinz gewesen, ebenso wie ihr bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommener Vater, was sie der großzügigen Auslegung der europäischen Adelsgesellschaft zufolge zur Prinzessin gemacht hatte. Im demokratischen Italien hatte der Titel nur noch gesellschaftliche Bedeutung, aber Harrell hatte es dennoch genossen, sie so vorzustellen, was sie immer in tödliche Verlegenheit gebracht hatte. Als ob es darauf ankäme.
„Nun, Liebes?"
Obwohl der Mann hinter seinen Brillengläsern blinzelte, wirkten seine blauen Augen doch scharf und klug. Tory war sich bewusst, dass nicht nur der Arzt, sondern auch der Sheriff gespannt auf ihre Antwort wartete. Trotz der Tatsache, dass sie sich noch immer leicht benommen fühlte, schwirrte in ihrem vernebelten Kopf eine Idee herum wie eine Fliege auf der Suche nach einem Landepunkt.
Um Zeit zu schinden, schaute sie den älteren Mann mit gerunzelter Stirn an und fragte: „Ich bin mir sicher, Sie wissen, dass es politisch nicht korrekt ist, Patienten Honey oder Liebes zu nennen, oder?"
„O je, jetzt haben Sie mich aber erwischt. Man hat mich schon tausendmal ermahnt, mit Frauen nicht zu vertraut umzugehen, aber verdammt - entschuldigen Sie die Wortwahl -, ich mag sie eben, und die Angewohnheit, das auch zu zeigen, ist schwer aufzugeben. Und da ich schon halb in Rente bin, komme ich meistens durch damit." Er grinste sie unbußfertig an.
„Über mein Honey war sie auch nicht besonders glücklich", mischte sich Roan ein, der an der Wand lehnte.
Tory wurde rot, aber sie ignorierte es ebenso wie den Mann, der ihre Verlegenheitsreaktion hervorgerufen hatte. „Halb in Rente", wiederholte sie mit einem kurzen Blick auf den Tropf. „Wenn mich nicht alles täuscht, hat sich letzte Nacht ein anderer Arzt um mich gekümmert."
„Das muss Simon Hargrove gewesen sein, ein guter Chirurg", gab er zurück. „Ich bin Doc Watkins, aber keine Sorge. Ich helfe nur ab und zu hier aus und würde Ihrem hübschen Kopf kein Härchen krümmen. Roan sagt, dass er mit Ihnen reden muss, deshalb muss es wohl wichtig sein. Ich sorge nur dafür, dass er das, was er will, auch bekommt."
Er hatte die Zufuhr an ihrem Medikamententropf unterbrochen; das konnte sie ihm ansehen, auch wenn er es nicht sagte. Die Wirkung der letzten Dosis würde bald abgeklungen sein, und dann würden die Schmerzen in ihrer Brust und ihrer Schulter noch unerträglicher werden. Tory wusste, wem sie das zu verdanken hatte.
Sie wandte den Kopf und suchte den ruhigen Blick des Sheriffs. So kühl wie möglich fragte sie: „Folter, Sheriff?"
„Ich bin an Informationen interessiert. Folter wäre das letzte Mittel, zu dem ich greifen würde."
„Und wenn ich Ihnen nichts zu erzählen habe?"
„Ich bin mir sicher, dass der Doc und ich einen angemessenen Weg finden, um Sie zu ermuntern."
Doc Watkins drehte sich um. „Nun, Roan ..."
„Oder vielleicht warte ich auch, bis er weg ist."
Der Sheriff ließ sich davon, dass sie die eingekerkerte Prinzessin spielte, nicht beeindrucken. Das hätte sie sich denken können. Sie fragte sich, wie weit er sie durchschaute.
Zeit, das war es, was sie brauchte, Zeit zum Nachdenken, Zeit, sich zu überlegen, was sie machen sollte. Wenn ihr schon Sheriff Benedict nicht glaubte, dass sie entführt worden war, war davon auszugehen, dass Paul Vandergraff ebenfalls seine Zweifel hatte. Noch weniger aber würde ihr Stiefvater ihr glauben, dass Harrell Melanka hinter ihrer Entführung steckte. Und wenn er schon nichts auf ihr Wort gab, wer dann?
Was für eine Beschuldigung auch immer der Sheriff gegen sie erheben würde, sicher war, dass Paul nichts dagegen unternehmen würde. Ihre Hauptsorge war jedoch, was anschließend mit ihr passierte. Es konnte gut sein, dass ihr Stiefvater Harrell herschickte, um sie abholen zu lassen, weil er es
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