Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
werden, während sie verhungerte.
Sie wartete, bis Roan weggefahren war, und wenig später hörte sie, wie Jake das Haus durch die Hintertür verließ. Sie ging zur Eingangstür und schaute durch das Glasfenster. Cal saß in eine Zeitung vertieft in seinem Streifenwagen, und es sah ganz danach aus, als wäre er noch eine Weile beschäftigt. Zufrieden machte sie sich auf den Weg in die Küche. Nachdem sie sich zwei Rühreier in eine Pfanne geschlagen und zwei Scheiben Toast geröstet hatte, setzte sie sich mit ihrem Teller und einem großen Glas Orangensaft an den Tisch. Beim Essen ließ sie das hintere Fenster nicht aus den Augen, von wo aus sie Jake schemenhaft durch die Bäume sehen konnte, der die Hunde im Zwinger fütterte. Irgendjemand war bei ihm, vielleicht ein Freund, da der Besucher etwa gleichaltrig zu sein schien.
Als sie das Geschirr von ihrem eiligen Frühstück in die Spülmaschine stellte, sah sie, dass in der Spüle benutzte Töpfe und Pfannen standen. Sie ließ Wasser ein und wusch das Geschirr ab, dann trocknete sie es ab und räumte es weg. Anschließend wischte sie die Schranktüren, den Kühlschrank sowie Herd und Arbeitsplatte mit einem feuchten Lappen ab. Mit einem Gefühl der Rechtschaffenheit und gleichzeitig über sich selbst belustigt wegen ihrer Dünkelhaftigkeit, schickte sie sich an, wieder nach oben in ihr Zimmer zu gehen.
Sie war erst bei der zweiten Treppenstufe angelangt, als sie die Motoren zweier Dirtbikes aufheulen hörte. Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig ans Küchenfenster, um zu sehen, wie Jake mit seinem Freund den Weg am See entlangfuhr. Es tat gut zu wissen, dass sie ihn für eine Weile los sein würde, auch wenn das bedeutete, dass sie mit Cal allein blieb. Seltsamerweise hätte sie den Jungen dennoch am liebsten zurückgerufen.
Sie war so durcheinander und wusste nichts mit sich anzufangen, sie hatte nichts, wo sie hätte hingehen können, und nichts, womit sie ihre Gedanken beschäftigen konnte. Zu Hause hätte sie jetzt vielleicht ein bisschen gemalt oder irgendeine Handarbeit angefangen oder wäre mit dem Boot aufs Wasser hinausgefahren, aber hier gab es absolut nichts zu tun. Gleichzeitig war ihr Hunger immer noch nicht ganz gestillt. Sie aß oft, wenn sie sich langweilte oder wenn sie aufgeregt war. Nach einigem Herumkramen in Kühlschrank und Gefriertruhe entdeckte sie schließlich eine Packung Schokoladeneiscreme. Sie tat sich etwas davon in eine Schüssel, die sie mit nach draußen auf die mit Steinplatten belegte Terrasse direkt neben der Küche nahm, die im Schatten des Vorsprungs der Veranda im ersten Stock lag.
Nichts passierte, keine Sirene heulte, niemand schien sie zu bemerken, niemand kümmerte sich. Sie war aus dem Haus entkommen, zumindest für ein paar Minuten.
Tory setzte sich auf die Verandaschaukel, genoss es, im Schatten zu sitzen, und stieß sich mit den Zehenspitzen vom Boden ab, bis sie leise hin- und herschaukelte. Es war heiß und still, das Einzige, was man hörte, war das Summen der Bienen in dem verwilderten Kräutergarten, der sich jenseits der Terrasse hinzog. Ein Stück weiter weg, auf der anderen Seite der Scheune, sah sie zwischen den Stämmen einiger Zypressen hindurch das blauschwarze Wasser des Horseshoe Lake glitzern. Es schien ihr zu winken, so wie ihr das Meer am Strand von Sanibel Island auch immer winkte.
Früher hatte die Aussicht, den Winter und das Frühjahr auf der Insel zu verbringen, sie stets mit wilder Freude erfüllt. Sie hatte das große, alte, lang gestreckte Anwesen, das die Großeltern ihrer Mutter in den zwanziger Jahren gebaut hatten, sehr geliebt. Aber dann hatte Paul Vandergraff das Haus abreißen und an seine Stelle eine hypermoderne sterile Villa hinstellen lassen. Es war eins von vielen Dingen, die sie ihm zum Vorwurf machte.
Jetzt, wo sie daran dachte, fiel ihr auf, dass Dog Trot sie an das ursprüngliche Haus auf Sanibel erinnerte. Es hatte die gleichen großen Veranden, strahlte die gleiche Anmut und Würde aus und wirkte solide genug, um alle Stürme zu überstehen.
Sie schaute auf den See, der hinter den Bäumen glitzerte, und fragte sich, wie tief er wohl sein und wie weit er sich erstrecken mochte, aber er war weiter entfernt, als sie im Moment laufen wollte. Davon abgesehen, waren dort unten die Jagdhunde, die wahrscheinlich bellen würden, wenn sich ein Fremder näherte. Das würde mit Sicherheit sofort Cal auf den Plan rufen, und er könnte sich verpflichtet fühlen, ihren Moment der
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