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Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind

Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind

Titel: Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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verloren hatte. Frauen konnten bis zum Äußersten getrieben werden.
    „Und doch habe ich um dich Angst", fuhr Ismaels Mutter einen Moment später fort. „Du spielst die unterwürfige Frau, so wie wir es dir beigebracht haben, aber es fällt dir nicht leicht. Deine Herkunft macht dich zu einer Frau, die zu eigenständig denkt, die zu furchtlos ist und die zum übereilten Handeln neigt. Früher oder später wirst du etwas tun oder sagen, das deinen Tod bedeuten wird."
    „So wie meine Mutter", sagte sie und sprach aus, was sich hinter den Worten ihrer Freundin verbarg.
    „Genau so. Dieser Reichtum, den du geerbt hat, ist ein Geschenk von Allah. Er könnte eingesetzt werden, um unserer Sache zu helfen. Vielleicht ist er für diesen Zweck bestimmt."
    „Du meinst wirklich, ich sollte mit ihm gehen?" Chloe nahm ihren Teebecher und mied den Blick der anderen Frau, damit sie deren Antwort nicht beeinflussen konnte. Die Farbe der Flüssigkeit im Becher erinnerte sie an Wade Benedicts Augen, und sie ließ sie an den Tee denken, den sie so oft in Louisiana getrunken hatte, eine kalte, süße Erfrischung in einem Glas voller Eiswürfel. Sie stellte den warmen Becher ab, ohne einen Schluck genommen zu haben.
    „Wie kann ich das sagen?" antwortete Willa. „Du musst die
    Antwort in deinem Herzen suchen, gründlich darüber nachdenken und dann deine Entscheidung treffen."
    Das war nicht die Antwort, die Chloe hatte hören wollen. Heute Morgen sollte sie sich mit Wade Benedict im Basar treffen. Wenn sie diese Verabredung einhalten wollte, dann blieb ihr nur noch wenig Zeit, um eine Entscheidung zu fällen.
    In diesem Moment tauchte an der Tür ein kleines Mädchen auf und lächelte sie schüchtern, aber mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck an. „Chloe, verehrte Lehrerin", sagte sie. „Deine unterwürfigen Schüler warten auf dich."
    Es erschien ihr wie ein Omen. Chloe lächelte Ismaels Mutter an und zuckte kurz mit den Schultern. Dann nahm sie das Mädchen an die Hand und ging ins Klassenzimmer.
    Der Unterricht, der in einer Aufzählung der Hauptstädte von Europa bestand, sollte den Horizont derjenigen erweitern, für die Hazaristan der Anfang und das Ende der Erde waren. Die Stunde verlief reibungslos, wenn man von ein paar Stolperern über die eine oder andere ungewohnte Silbe absah. Wenn Chloe in die konzentrierten, strahlenden Gesichter blickte, empfand sie Stolz und Liebe. Diese Kinder waren so intelligent, und sie wollten so viel lernen. Wie konnte auch nur ein Mensch diese Mädchen für wertlos halten und zu einem Leben verdammen, das aus Kinderkriegen und dem Haushalt des Vaters und des Ehemanns bestand? Auf diese Frage fiel ihr keine Antwort ein. Doch es schien ihr jedes Opfer wert zu sein, wenn sie ihnen dadurch irgendwie helfen konnte. Wenn sie das zur Märtyrerin machte, wie Wade Benedict es formuliert hatte, dann war es eben so. Es tat ihr Leid, dass er wieder warten und unverrichteter Dinge weggehen musste. Er würde damit schon fertig werden, aber diese jungen Mädchen würden vielleicht nicht über die Enttäuschung hinwegkommen, wenn sie ihnen jetzt kein Selbstwertgefühl vermittelte. Sie musste sie retten, sie musste es wenigstens versuchen. Wade Benedict konnte sich selbst retten.
    Plötzlich ertönte von der Haustür ein Messinggong, der früher einmal während der britischen Herrschaft die Elite zum Dinner gerufen hatte. Dreimal wurde geklingelt, die sanften Klänge schwebten in der Luft, als wären sie die Ouvertüre zu einer Komposition in Moll.
    Sofort machte Chloe ein Handzeichen und ließ den Chor verstummen, der die Hauptstädte gesprochen hatte. Sie griff nach dem Exemplar des Korans, das neben ihr auf dem Tisch lag, und schlug es auf. Sie las die erste Zeile eines Gebets vor, und dann sprachen die Kinder ihr wie jene perfekt funktionierenden menschlichen Maschinen nach, die die Mullahs aus ihnen machen wollten. Gleichzeitig drehte Chloe ihre kleine Schiefertafel um und deponierte den Stundenplan unter einem Nachttopf, der hinter einem Sichtschutz in einer Ecke stand. Als die Tür geöffnet wurde und sich herausstellte, dass die Polizei geklingelt hatte, gab es in dem Raum längst keinen Hinweis mehr darauf, dass dort irgendetwas anderes gelehrt worden sein könnte als Koranverse.
    Die Mädchen hielten einen Moment inne, dann schrien sie los und versteckten ihre Gesichter, als sie die zwei Polizisten bemerkten, die wütend dreinblickten und mit erhobenen Stöcken ins Zimmer kamen. Die

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