Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
Kehle zugedrückt. Chloe sprang ein: „Sie wurde getötet. Ihr Name war Sylvie."
„Ja. Habe ich das alles im Schlaf erzählt?"
„Unter anderem. Du ... du scheinst zu glauben, dass es nicht die Terroristen waren, die sie töteten."
„Genau. Ich glaube, der alte Mann bezahlte die Kerle, damit sie sie entführten, und er bezahlte einen von unseren Leuten, um sicher sein zu können, dass sie während der Rettungsaktion auch wirklich ums Leben kam. Ich sollte dabei ebenfalls drauf-gehen, aber ich konnte sie täuschen. Allerdings hat das nichts bewirkt. Es war egal, was ich dazu zu sagen hatte, da niemand der Sache nachgehen würde. Es war ein unglücklich verlaufener Einsatz, der in einer Tragödie endete. Der trauernde Witwer brachte die sterblichen Überreste nach Hause, und das war es dann. Abgesehen davon, dass er sich eine Woche später das Leben nahm."
„Ihr Mann starb also auch, und du konntest den Fall für dich abschließen."
Er schüttelte den Kopf. „Ich hätte sie retten müssen. Ich war so dicht davor, so unglaublich dicht. Trotzdem sah ich nicht die Gefahr. Ich vergaß, dass die Person, die am ehesten eine Frau umbringen wird, jemand aus der Familie ist. Sylvie starb, weil ich nicht daran dachte. Darum ..."
„Nein!" rief Chloe aus, als sie merkte, in welche Richtung seine Gedanken gingen. Sie redete einfach drauflos, weil sie unbedingt wollte, dass er verstand. „Du bist nicht für die Habgier und die Missgunst dieses alten Mannes verantwortlich, den Sylvie geheiratet hat. Genauso ist es nicht deine Schuld, dass Ahmads Fanatismus Treenas Tod bedeutet hat. Der Tod der beiden wurde absichtlich herbeigeführt. Es ist nicht deine Schuld."
„Ich hätte erkennen müssen, was passieren würde. Ich hätte es verhindern müssen."
„Ja, und vielleicht solltest du, wenn du schon dabei ist, auch dafür sorgen, dass niemand auf der Welt ums Leben kommt. Vielleicht solltest du die Verantwortung für alle Grausamkeiten, für jede Form von Ignoranz und für all den gedankenlosen Fanatismus übernehmen, der jeden Tag Menschenleben kostet. Wie wäre das? Nicht, dass es irgendetwas ändern würde."
Er schwieg. Nur das Knistern des Feuers und der Wind waren zu hören, der durch die Bäume wehte und die Äste leicht schwanken ließ. Ein Stück unterhalb von ihnen, dort, wo die Straße verlief, war das Dröhnen eines Motors zu hören. Dann sahen sie die Scheinwerfer eines Lastwagens, der vom Pass gefahren kam und in der tiefschwarzen Nacht verschwand.
„Ist es das, was du versuchst?" fragte Wade schließlich. „Willst du den Tod deiner Mutter wieder gutmachen, indem du gegen diese Sache kämpfst, die sie umgebracht hat?"
Seine Erkenntnis traf sie völlig unvorbereitet. Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen und wie sich ihre Kehle zuschnürte. „Ich konnte die Steinigung nicht aufhalten", presste sie mit erstickter Stimme hervor. „Ich wollte zu ihr laufen, doch als man mich endlich durchgelassen hat, war es bereits zu spät."
„Du hättest es sowieso nicht abwenden können", sagte er. „Einem Mob kommt man nicht mit vernünftigen Argumenten bei."
„Ich weiß, trotzdem ..."
„Trotzdem denkst du immer noch so, nicht wahr? Du glaubst, du hättest etwas tun sollen, obwohl du weißt, dass es einfach nicht möglich war. Der rationale Verstand sieht die Dinge anders, als es die tiefe Überzeugung tut."
Seine Worte trafen genau den Nerv und sprachen etwas an, womit sie sich nie hatte beschäftigen wollen. Sie erkannte den Grund: Er kannte denselben Schmerz, er empfand die gleichen Zweifel und das gleiche Bedauern. Sie schloss die Augen und presste die Lippen aufeinander, während sie versuchte, weder zu denken noch zu fühlen. „Ich unternehme jetzt etwas dagegen", sagte sie schließlich.
„Du kämpfst gegen die Taliban, die alte Gesetze ins Leben gerufen haben. Und du versteckst dich unter einer Burqa, weil du vor dem Angst hast, was passieren könnte, wenn du sie ausziehst."
„Ich ziehe sie vor Familie und Freunden aus", widersprach sie. Sie wollte sich nicht eingestehen, dass er Recht haben könnte.
„Aber nicht vor Männern."
„Es ist verboten."
„Hier nicht, und auch nicht vor mir."
Er saß völlig ruhig da und sah sie wortlos an. Nichts an ihm deutete auf einen Befehl oder eine Drohung hin, kein Versuch einer Verführung, absolut nichts, was sie ihm hätte vorhalten können.
„Ich verstecke mich nicht", beteuerte sie.
„Wirklich nicht?"
„Nein, wirklich nicht!"
„Dann
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