Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
war mir ein Vergnügen."
„Ganz meinerseits", erwiderte sie förmlich. „Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie den weiten Weg hierher gemacht haben, auch wenn ich weiß, dass es nicht meinetwegen geschehen ist."
Nat lächelte sie bedauernd an. „Ich würde sagen, es war vertane Zeit. Wade hat die Lage hier bestens im Griff. Trotzdem halte ich eine Übermacht immer noch für die bessere Taktik. Abgesehen davon habe ich ihm geraten, wie er in Hazaristan Kontakt zu Ihnen aufnehmen soll. Ich gebe mir die Schuld dafür, dass er verletzt wurde."
„Die Schuld liegt ganz allein bei mir", antwortete sie ernst und mit festem Blick.
Wade stöhnte auf, als er die beiden reden hörte. „Vielen Dank für eure Bereitschaft, euch zum Sündenbock zu machen, aber es war allein mein Fehler. Ich habe den Gegner unterschätzt."
Chloe wollte sich nicht mit ihm streiten - nicht etwa, weil er Recht hatte, sondern weil sie gelernt hatte, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, in denen sie keine Chance auf einen Sieg hatte. Zu Nat sagte sie: „Auf jeden Fall bin ich sicher, dass wir viel besser schlafen werden, wenn wir wissen, dass Sie die Augen offen halten."
„So soll es auch sein. Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung: Ich kann verstehen, warum Wade so versessen darauf war, Sie aus Hazaristan herauszuholen. Das ist kein Ort für eine Frau wie Sie."
Sie war es noch immer nicht gewöhnt, dass man ihr Komplimente machte, weder offen und direkt noch angedeutet. Ihr Gesicht schien zu brennen, so stark errötete sie. Sie sah unbewusst zu Wade, in der Hoffnung, er werde ihr helfen.
„Gewöhn dich lieber daran", sagte er lässig. „Von jetzt an wirst du so etwas öfters zu hören bekommen. Du musst dich einfach nur bei ihm bedanken und ihm eine gute Nacht wünschen."
Sie machte genau das. Nat warf Wade einen durchdringenden und zugleich amüsierten Blick zu. Wade machte eine beiläufige Geste und klopfte seinem Freund auf die Schulter, dann drehte er sich mit ihm zur Tür um.
„Ich spreche dich später noch mal, damit du mir einen aktuellen Lagebericht geben kannst", erklärte er. „Pass in der Zwischenzeit gut auf dich auf. Wir sind hier zwar so abgeschieden, wie es nur geht, ohne dass wir uns gleich in die Sümpfe zurückziehen, aber man kann nie wissen."
„Pass du auch auf", erwiderte Nat. Dann ging er nach draußen und zog leise die Tür hinter sich zu.
Eine unangenehme Stille machte sich im Haus breit. Chloe konnte deutlich Nats Schritte auf der Außentreppe hören. Wade strich sich nervös durchs Haar. „Tut mir Leid, wenn Nat dich zuerst erschreckt hat. Mit ein Grund, dich hierher zu bringen, bestand eigentlich darin, dir eine Verschnaufpause zu verschaffen, damit du dich erst mal an deine Umgebung gewöhnst, bevor du mit allen möglichen Leuten bekannt gemacht wirst."
„Das ist doch nicht schlimm. Manche Dinge haben Vorrang. Ich finde nur, es ist eine Schande, dass du nicht mit Nat zusammenarbeiten wirst."
„So war es nicht geplant", erwiderte er und sah sie eindringlich an.
„Trotzdem." Sie zögerte einen Moment, dann fragte sie: „Wolltest du wirklich essen gehen, oder warst du ihm gegenüber nur höflich?"
„Ich war in erster Linie höflich. Wenn du Hunger hast, können wir natürlich etwas essen."
„Nicht wirklich", antwortete sie und wich seinem Blick aus. „Wir haben ziemlich spät gegessen, und mein Magen ist noch auf die hazaristanische Zeit eingestellt. Aber ich habe nachgedacht..."
„Über Nat?" gab er zurück, als sie nicht weitersprach. „Oder über das, was im Ballsaal passiert ist?"
„In gewisser Weise über beides."
„Du überlegst, ob du vielleicht einen Fehler gemacht hast, und wenn wir zu dritt beim Abendessen zusammensäßen, dann hättest du mehr Zeit zum Nachdenken."
„So könnte man das sagen", antwortete sie. Ihre Kehle war so zugeschnürt, dass sie dachte, sie würde diese Worte nicht herausbekommen.
„Du musst nicht weitermachen, wenn du nicht willst. Ein Wort von dir, und wir vergessen das Ganze."
„Darum geht es nicht. Ich will es nicht vergessen", beteuerte sie mit ernster Miene. „Ich ... ich frage mich nur, ob du vielleicht Bedenken hast."
Er verschränkte die Arme vor der Brust, sein Gesichtsausdruck war undefinierbar. „Du hattest Angst, ich könnte mich dagegen entschieden haben, dein Lehrer zu sein, und ich würde das Abendessen als Vorwand nehmen, um mich zu drücken?"
„Ja, in diese Richtung ging es", erklärte sie und war erleichtert, dass er sie
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