Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
ihrer Stimme schwang Überraschung mit, als sie jetzt sagte: „Sie spionieren mir nach.“
„Ganz und gar nicht“, widersprach Dr. Gower und wich ihrem Blick aus. „Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Ich musste mich davon überzeugen, dass Sie allein sind. Und da Sie das nicht waren, war ich bedauerlicherweise gezwungen zu warten, um mit Ihnen sprechen zu können, obwohl meine Zeit so knapp ist.“
„Das tut mir Leid, aber ich wusste nicht, dass …“
„Das ist nicht der Punkt, meine Liebe. Aber ich darf Sie daran erinnern, dass die Verhaltensmaßregeln, die Sie bekommen haben, dazu dienen, uns alle zu schützen, und diese beinhalten, Ihre Tochter zu isolieren, auf jeden Kontakt mit der Familie und mit Freunden zu verzichten und Ihren Wirkungskreis so weit wie möglich einzuschränken.“
„Das weiß ich.“
„Sexuelle Aktivität ist für die Gesundheit wichtig. Das weiß niemand besser als ich“, fuhr er fast im selben Atemzug fort. „Trotzdem müssen Sie unter den derzeitigen Umständen Ihre Libido zügeln. Ich fürchte, Ihr Privatleben wird noch ein bisschen warten müssen.“
„Diese Umstände haben nichts mit meinem Privatleben zu tun!“ erklärte Janna mit aufsteigender Verärgerung. Tatsächlich hatte sie überhaupt kein Privatleben in dem Sinn, wie dieser Mann es verstand.
„Nein, aber es könnte extrem wichtig werden, wem Sie von unserer Verbindung erzählen, da es alles gefährden könnte. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass Sie verstanden haben, wie wichtig Diskretion in diesem Falle ist.“
Ihn in diesem Punkt zu beruhigen, wäre einfach gewesen. Sie hätte nur sagen müssen, dass dieser Mann im Innern des Hauses der potenzielle Spender sei, der sich in ihrer Gewalt befand, so dass man ihm die Niere jederzeit entfernen könnte. Aber sie brachte es nicht über sich. Irgendetwas in ihr, eine Reaktion auf den vorwurfsvollen Tonfall des Arztes, irgendein Instinkt oder innere Vorbehalte verhinderten, dass sich die Worte formten. Darüber hinaus aber war sie sich nicht so sicher, ob Clay tatsächlich so wehrlos war. Er würde sich trotz seiner Fesseln heftig wehren, wenn ihm jemand mit einer gefüllten Spritze zu nahe kam. Man würde mindestens zwei erwachsene Leute brauchen, um ihn für den Transport ruhig zu stellen, möglicherweise sogar mehr. Sie verstand nicht, warum ihr das nicht schon früher eingefallen war, denn es war doch zu offensichtlich. Außerdem hasste sie die Vorstellung, die ganze Sache mit ansehen zu müssen, geschweige denn mitzumachen.
Ein anderer Grund war das offensichtliche Widerstreben des Arztes, eine Niere aus einer anderen Quelle als der, über die er verfügte, zu akzeptieren. Was das bedeutete, war unklar. Sie wusste es nicht – und vielleicht wollte sie es auch gar nicht wissen, woher er die Nieren beschaffte, die er implantierte. Anzunehmen war, dass es sich dabei um die Nieren von Unfallopfern handelte, die einer Organspende nie zugestimmt hatten, oder vielleicht um die anderer Toter, die in irgendeinem großen Krankenhaus gestorben waren, wo organisierter Organdiebstahl durchgeführt wurde. Eine weitere Möglichkeit war, dass sie noch lebenden Spendern entnommen worden waren, Menschen aus der Dritten Welt, die verzweifelt genug waren, um sich damit eine Fahrkarte in ein neues Leben zu kaufen, oder Drogenabhängigen, die sich mit dem Erlös aus dem Verkauf einer Niere für ein paar weitere Wochen oder Monate ihre Sucht finanzierten. All diese Möglichkeiten verfolgten sie nachts, wenn sie nicht schlafen konnte, und waren ein weiterer Grund dafür, weshalb sie sich Clay gegenüber so rücksichtslos verhielt. Bei ihm bestand nicht nur eine gute Chance, dass sein Blut und sein Gewebe kompatibel waren, sondern er war offensichtlich auch so gesund, dass sie keine Angst haben musste, ihn oder Lainey einem nicht verkraftbaren Gesundheitsrisiko auszusetzen. Die Schuldgefühle, mit denen sie leben musste, würden dieselben sein, egal ob die Niere von ihm oder von jemand anders stammte, aber die möglichen Vorteile wären viel größer.
So oder ähnlich hatte sie zumindest gedacht, bevor der Zeitpunkt, Clay Dr. Gower zu übergeben, tatsächlich in greifbare Nähe gerückt war. „Das Risiko steigt für uns alle, je länger Lainey und ich warten müssen“, sagte Janna schließlich. „Mit der Spenderniere dieses Verwandten wären wir hingegen im Vorteil. Denn die Vorbereitungen könnten praktisch sofort getroffen werden, während wir ansonsten warten
Weitere Kostenlose Bücher