Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
fragen hörte, wie sich der Gefangene denn hielte, wurde ihm klar, dass der Alte immer noch nicht die Absicht hatte, ihm zu helfen, was seine Zweifel nicht unbedingt zerstreute. Das war das Problem mit so kleinen Häusern wie der Angelhütte; man hörte oft mehr, als einem lieb war.
„Wird auch langsam Zeit, dass du dein hässliches Gesicht endlich hier sehen lässt“, beschwerte er sich, als Arty schließlich sein Geplauder in der Küche beendet hatte und ins Gästezimmer kam, um Clay seine Aufwartung zu machen.
„Jetzt flipp mal nich’ gleich aus, Junge. Du gehst doch sowieso nirgends hin.“
„Dank deiner Hilfe.“
„Ich hab dir doch gesagt, warum“, verteidigte sich Arty verärgert.
„Stimmt, aber davon wird es auch nicht richtiger. Du schuldest mir etwas.“
„Hab dir ’n paar Klamotten mitgebracht, da, siehste?“ Der alte Trapper schwenkte die große Papiertüte, die er bei sich hatte. „Bin durch ein Hinterfenster bei dir eingestiegen und hab sie geholt, damit du nich’ nackig durch die Gegend renn’ musst. Was willste noch mehr?“
Clay war froh, wenigstens eine oder zwei Garnituren frische Unterwäsche zu bekommen, und er war sogar dankbar, dass Arty – oder Janna? – daran gedacht hatte. Dennoch passte es ihm nicht, dass in seiner Abwesenheit jemand sein Haus betrat. Scharf sagte er: „Danke, aber komm nicht auf die Idee, das noch mal zu machen.“
Arty warf ihm einen scheelen Blick zu. „Bist wohl stinkig oder was?“
„Wärst du das an meiner Stelle nicht?“ Da eine Antwort überflüssig war, fuhr er sogleich fort: „Erzähl doch mal, hat Janna irgendwann mal etwas davon erwähnt, dass bei Lainey eine Nierentransplantation vorgenommen werden soll?“
Der Alte fuhr sich über den Bart. „Eigentlich nich’. Aber ich steck ja auch nich’ meine Nase in die Angelegenheiten von annern Leuten.“
Und das war noch übertrieben, denn Arty stellte so gut wie nie irgendwelche Fragen, hauptsächlich deshalb, um nicht in die peinliche Situation zu kommen, selbst welche beantworten zu müssen. „Oder hat sie irgendwann mal eine wie auch immer geartete Verbindung zu den Benedicts erwähnt?“
„Meinste Familienbande? Wie kommst ’n da drauf?“
„War nur so eine Idee.“ Er tat die Frage mit einem beiläufigen Schulterzucken ab, obwohl Arty allem Anschein nach nicht ganz ahnungslos war. Um das Thema zu wechseln, fragte er: „Wie geht es Beulah?“
„Frisst immer noch nix. Und aussehen tut sie auch nich’ so gut. Aber ich will sie möglichst in meiner Nähe haben. Im Sumpf geht irgend ’ne Schweinerei vor.“
„Soll heißen?“
„Heute früh hab ich ’ne Wasserleiche gefunden. War fast noch ’n Kind, ’n Junge. Is’ an ’nem Baumstumpf im Hauptkanal hängen geblieben. War schon seit zwei Tagen tot.“
„Du hast ihn gefunden?“
Arty nickte trübsinnig. „Hab sofort Roan angerufen.“
„Ist er ertrunken?“ Clay spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte, während er auf eine Antwort wartete.
„Abgeschlachtet würd’s besser treffen. Aufgeschlitzt ham sie ihn, den armen Jungen, sie ham ihm das Herz und die Leber und die Lunge rausgenommen, alles fein säuberlich rausgeschnitten.“
Einen Moment starrte Clay den Alten fassungslos an, bevor er fragte: „Und was ist mit den Nieren? Sind die auch weg?“
„Davon hat keiner was gesagt, aber ich schätz mal, dass es möglich is. Hab gehört, dass er süchtig gewesen sein soll, von wegen den ganzen Einstichen im Arm und so. Obwohl er noch so jung war, ich schätz mal höchstens fünfzehn oder so. Gott, da kriegste echt die Krätze, wenn de dir vorstellst, dass da irgend so ’n Drecksack hergeht und so was mit ’nem Jungen macht, der noch sein ganzes Leben vor sich hat. Ich mein, is doch schon schlimm genug, dass sie auf den Philippinen oder in China ihre Körperteile verticken müssen, damit sie noch mal neu anfangen können, aber wenn sie jetzt hier auch noch anfangen, die Leute abzuschlachten …“ Angewidert schüttelte der Alte den Kopf. „Wenn die Leute Körperteile verkloppen, sollt’ es echt ’n Gesetz dagegen geben.“
„Das gibt es. Der Handel mit menschlichen Organen ist in den Vereinigten Staaten schon seit Jahren verboten“, meinte Clay nebenher, während sein Gehirn fieberhaft arbeitete.
„Echt wahr?“
„Ja. Es ist ein Verbrechen, für das man mit bis zu fünf Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von fünfzigtausend Dollar bestraft werden kann.“ Clay hatte vor einer Weile
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