Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
abschlägt.“
„Sie kennen ihn nicht“, gab sie angespannt zurück, „oder die Situation.“
„Nein, aber ich kenne Sie. Mir an seiner Stelle würde es ganz gewiss schwer fallen, Ihnen eine Bitte abzuschlagen.“
Sie schaute den Arzt an und begegnete seinen dunklen Augen, die den ihren ganz nah waren. Schweigend sah er sie an, bis sich ihr der unangenehme Eindruck aufdrängte, dass er auf einen anderen persönlicheren Vorschlag von ihr warten könnte. Dieser Gedanke war beunruhigend. Hatte diese Möglichkeit schon immer bestanden, oder war sie erst jetzt aufgetaucht, nachdem in ihrem Haus, in ihrem Bett ein Mann war? War es ihr nicht aufgefallen, weil sie so ganz und gar auf Lainey konzentriert gewesen war, und wurde es ihr erst jetzt wegen der sexuellen Spannung, die sich zwischen ihr und Clay entwickelt hatte, bewusst? Oder war es nur ein Produkt ihrer überreizten Fantasie?
„Ich werde sehen, was ich tun kann“, sagte sie und ließ ihren Blick über den geheimnisvoll glitzernden dunklen See schweifen.
„Gut.“ Dr. Gower trat einen Schritt zurück. „Anita wird sich, wie gesagt, bei Ihnen melden.“
Damit drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit. Janna hörte den Kies unter seinen Schuhen knirschen, als er über die kurze Einfahrt zur Straße ging. Wenig später nahm sie wahr, dass in einiger Entfernung ein schwerer Motor ansprang. Kurz darauf fuhr ein Auto weg, dann war wieder alles still.
Janna erschauerte und schlang sich die Arme um die Taille. Alles lief schief, so schien es jedenfalls. Sie war sich nicht sicher, wo und wie es angefangen hatte, aber ein Ende war noch nicht abzusehen.
Heute war ihr einiges seltsam vorgekommen, angefangen mit Artys Besuch. Er war irgendwie anders gewesen als sonst. Meist war er ihrem Blick ausgewichen, und wenn er es nicht geschafft hatte, schienen seine wässrigen Augen sie missbilligend anzublicken. Er war länger bei Clay gewesen als bei ihr und Lainey, und die beiden Männer hatten in fast flüsterndem Ton miteinander gesprochen. Nachdem Arty gegangen war, hatte Clay schlecht gelaunt geschwiegen, so dass sie beinahe angefangen hatte, sein träges Grinsen und seine manchmal zweideutigen Spötteleien zu vermissen. Darüber hinaus war es draußen auf dem See aus irgendeinem unerfindlichen Grund hoch hergegangen; Motorboote waren lärmend über den Hauptkanal geflitzt, so dass die Wellen gegen den Bootssteg geschwappt waren. Aber Clay hatte keine Bemerkung darüber gemacht, ja, es schien ihm nicht einmal aufgefallen zu sein.
Sie hob den Kopf und schaute durch die federnartigen Zweige einer großen Zypresse auf die dünne Mondsichel am Himmel. Gott, was sollte sie bloß tun? Diese zusätzliche Geldforderung war ein harter Schlag für sie, da sie doch schon kurz davor gewesen war, Lainey zu retten. Und jetzt stand hinter all ihren Anstrengungen wieder ein großes Fragezeichen.
Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob sie das alles wirklich nur machte, um Lainey zu retten. Oder tat sie es aus reinem Egoismus, weil sie das Einzige, was ihr Leben lebenswert machte, nicht hergeben wollte? Versuchte sie am Ende nur, sich selbst zu retten?
Sie wusste es nicht. Zudem war sie von der tagtäglichen Sorge um Lainey zu ausgelaugt, um ihren wahren Motiven auf den Grund gehen zu können. Sie wusste nur, dass sie jetzt nicht aufgeben konnte. Denn sie steckte schon viel zu tief drin; außerdem stand einfach zu viel auf dem Spiel.
Janna ging wieder auf die Veranda zurück. Der Waschbär hatte sich in einer Ecke seines großen Käfigs zusammengerollt und schlief. Sie setzte sich daneben und streichelte sein weiches Fell. Das kleine Tier war so zahm und verspielt wie ein Kätzchen. Clay und Lainey hatten beratschlagt und ihn dann wegen seiner Ringelstreifen am Schwanz Ringo getauft. Janna hatte Bedenken gehabt, dass er irgendwelche ansteckenden Krankheiten ins Haus schleppen könnte, aber Clay hatte ihr versichert, dass sie sich überflüssige Sorgen machte. Sie konnte nur hoffen, dass er Recht hatte, da Lainey das niedliche Kerlchen mittlerweile ins Herz geschlossen hatte. Und Janna musste zugeben, dass sie selbst inzwischen auch schon ein wenig Zuneigung zu ihm entwickelt hatte.
Geld, sie brauchte dringend Geld.
Ihre Eltern hatten ihr bereits eine beträchtliche Summe geliehen, obwohl sie ihr Vorhaben missbilligten und entsetzt über das Risiko waren, das sie eingehen wollte. Sie würden beide bald in Rente gehen und konnten nicht mehr entbehren, zumindest nicht,
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