Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
auf den Steg, hob Mutter und Tochter ins Boot und legte ab. Während er sich auf seinen Sitz fallen ließ, drehte er sich zu Janna um. „Alles in Ordnung?“
Sie machte eine ruckartige Kopfbewegung. „Fahr einfach.“
Ihr Gesichtsausdruck schnitt ihm ins Herz. Plötzlich spürte er, dass auf seinen Schultern das volle Gewicht der Verantwortung für diesen Schritt lastete. Darüber hinaus registrierte er bei sich einen Anflug von Stolz, weil sie ihm genug vertraute, um seinen Rat zu befolgen, und noch etwas anderes, das er nicht genauer zu untersuchen wagte. Der Ausdruck von Abhängigkeit und Dankbarkeit, der sich auf ihrem Gesicht spiegelte, gefiel ihm nicht, obwohl er spürte, dass sich seine Bauchmuskeln vor Entschlossenheit, nicht zu versagen, bretthart anspannten.
Mit tieferer Stimme als sonst sagte er: „Halt durch.“
Der Motor erwachte röhrend zum Leben, dann gab Clay Gas, und das Boot flitzte übers Wasser in Richtung Turn-Coupe. Bäume, Wasser, Nebel, Gischt, alles raste an ihnen vorbei. Er konzentrierte sich voll und ganz auf den Wasserstreifen, der direkt vor dem Boot lag, ohne die vielfach verzweigten Kanäle und den offenen See, den er nur allzu gut kannte, zu beachten. Das Boot streifte die Wasseroberfläche nur, es tanzte auf einem weichen Kissen aus Luft und Schaum, schlängelte sich um Kurven und reagierte auf die leiseste Berührung ohne Verzögerung. Besorgt warf Clay einen Blick auf Lainey. Das Mädchen wirkte wie im Koma, es schien den Wind gar nicht zu bemerken, der ihr das Haar in das fahle Gesicht wehte. Clay beschleunigte noch ein bisschen mehr.
Minuten später, die ihm wie eine Ewigkeit erschienen waren, bog er vom Hauptkanal in die lange fingerähnliche Bucht von Grand Point ein. Zu seiner Erleichterung sah er die kreisenden Rot- und Blaulichter, einen Krankenwagen und Roans Streifenwagen. „Wir sind fast da“, rief er Janna über den Motorenlärm hinweg zu.
„Ja, ich sehe es“, erwiderte sie mit gepresster Stimme, bevor sie Lainey das Haar aus dem Gesicht strich und ihr einen Kuss auf den Scheitel drückte. Dann wandte sie sich ab, doch Clay hatte bereits gesehen, dass in ihren Augen Tränen glitzerten.
Er stellte den Motor ab und ließ das Boot aus eigener Kraft zum Anlegesteg von Grand Point gleiten. Hände streckten sich aus, um das Boot heranzuziehen und zu vertäuen. Die Sanitäter begrüßten Clay und sprachen leise mit Janna, während sie ihr Lainey abnahmen. Mit äußerster Behutsamkeit legten sie das Kind auf eine Trage, die sie in den Krankenwagen schoben. Nachdem sie die Türen geschlossen hatten, fuhr der Wagen mit Janna und Lainey davon.
Clay schaute ihm nach, wie er hinter der Ecke des Haupthauses in Richtung Turn-Coupe verschwand. Man hatte ihm die Verantwortung abgenommen, Lainey befand sich in guten Händen. Er hätte sich jetzt eigentlich erleichtert fühlen müssen, aber alles, was er verspürte, war eine große innere Leere.
Roan war aus seinem Streifenwagen ausgestiegen und trat jetzt zu ihm auf den Steg. „Na, hast du es am Ende doch noch geschafft, die Frau und das Kind dorthin zu bringen, wo du sie haben wolltest?“
Clay begegnete dem ernsten, abschätzigen Blick seines Cousins. „So ist es nicht.“
„Wirklich nicht? Nicht mal ein bisschen?“
Er schüttelte den Kopf. „Wenn Lainey es nicht schafft …“
Roan verzog ein wenig den Mund. „Glaubst du, dass ihre Mutter dir dann die Schuld gibt?“
„Schon möglich.“
„Hat sie einen Grund dafür?“
„Gott, nein!“
„Das dachte ich mir.“
Als sein Cousin in Schweigen verfiel, sagte Clay in grüblerischem Ton: „Lainey sollte eigentlich in der Kinderklinik in New Orleans sein, vielleicht sogar in Oshners Klinik. Irgendwo jedenfalls, wo sie auf Nierenerkrankungen spezialisiert sind.“
„Simon Hargrove ist ein guter Mann“, erwiderte Roan und meinte damit den Chefarzt und leitenden Chirurgen des Krankenhauses von Turn-Coupe. „Er weiß, was auf ihn zukommt, und wird die richtige Entscheidung für sie treffen.“
Clay nickte. Es würde reichen müssen. Fürs Erste.
„Ich denke, ich werde hinfahren, um zu sehen, ob mit der Anmeldung alles geklappt hat“, sagte Roan und deutete mit dem Kopf auf seinen Streifenwagen. „Kommst du mit?“
„Versuch doch mal, ohne mich zu fahren“, erwiderte Clay bissig.
Janna saß in der Anmeldung und füllte Formulare aus, als Clay die Notaufnahme des Krankenhauses betrat. Grüßend hob er eine Hand, blieb jedoch nicht stehen. Aus einer
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