Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
kleinere Häuser nicht so leicht zu finden, da die Leute nicht zwangsläufig ihr Eigentum verkauften, wenn sie nach Florida oder Arizona umsiedelten oder in ein Seniorenheim zogen. Vielmehr gaben sie ihre Häuser oft an die nächste Generation weiter.
Derzeit konnte Kendra nur wählen zwischen einem doppelt breiten Trailer auf genau dem Gelände, auf dem sie ihre unglückliche Kindheit bei ihrer Großmutter zugebracht hatte - was also überhaupt nicht infrage kam -, einem Objekt auf der anderen Seite von Three Trees, das damit über dreißig Meilen weit entfernt lag und auch noch nach einem umgebauten Hühnerstall aussah, und dem beengten Apartment über der Garage der alten Mrs Lund in der Cinch Buckle Street. Das Problem dort war eine unverschämt hohe Miete, die umso dreister war, da diese Wohnung nicht einmal einen eigenen Eingang besaß.
Da sie das mit seinen fast 1 400 Quadratmetern monströs große Herrenhaus bereits in ihre Angebotsübersicht aufgenommen hatte und Reinigungspersonal und Maler momentan dafür sorgten, das Gebäude für Besichtigungen herzurichten, wohnte sie mit Madison derzeit im kleinen Gästehaus auf dem gleichen Anwesen.
Zwei Interessenten, beide durchaus seriös, hatten sich bereits bei ihr gemeldet, weil sie sich das Herrenhaus ansehen wollten, weshalb Kendra nicht die Absicht hegte, sich in dem gemütlichen und günstig gelegenen Cottage allzu sehr wie zu Hause zu fühlen. Luxushäuser ließen sich in diesem Teil von Montana sehr gut verkaufen, weil es für Jetsetter zum guten Ton gehörte, hier ein Anwesen zu besitzen, auch wenn man es nur alle Jubeljahre einmal aufsuchte.
Für den Augenblick erfüllte das Gästehaus alle ihre Bedürfnisse. Madison spielte liebend gern im riesigen Garten mit seinen bunten Blumenbeeten und benutzte oft die Schaukel auf der Veranda. Die Vierjährige machte sich nichts daraus, das einzige Schlafzimmer im Cottage mit Kendra zu teilen und in der winzigen, von der Sonne gefluteten Küche zu essen. An das Vorschulprogramm in der Kindertagesstätte wurde sie ganz gemächlich gewöhnt, indem sie jeden Tag für eine oder zwei Stunden daran teilnahm. Die vielen Kinder in ihrem Alter lenkten sie zum Glück so sehr ab, dass sie inzwischen nicht mehr sofort in Tränen ausbrach, sobald sie für kurze Zeit von Kendra getrennt war.
Tara Kendall betrat genau in dem Moment das Büro, als Kendra Feierabend machen wollte. Sie und Madison hatten geplant, sich im Butter Biscuit etwas zu essen zu holen und es sich damit an dem kleinen weißen schmiedeeisernen Tisch am Rand des Rosengartens an der Rodeo Road gemütlich zu machen.
„Holen wir jetzt einen Hund?“, fragte Madison zum x-ten Mal, als Tara ins Büro gerauscht kam. Ihr schulterlanges braunes Haar war perfekt stufig geschnitten und sie war so geschickt geschminkt, dass sie vollkommen ungeschminkt aussah.
„Da habe ich genau das Richtige für euch“, verkündete Tara mit breitem Grinsen. Sie trug ein gelbes Sommerkleid, das ihre zierliche, aber weibliche Figur und ihre braun gebrannten Beine betonte. „Mein Golden Retriever Lucy hat eine Schwester, die noch immer ein Zuhause sucht.“
„Sieh an“, sagte Kendra, die sich in ihrer Kombination aus Jeans und T-Shirt mit einem Mal unbehaglich fühlte. „Ich danke dir für dieses tolle Angebot, Tara.“
Madison hüpfte schon vor Freude auf der Stelle. „Mein Hund! Mein Hund!“, krähte sie begeistert. „Mein eigener Hund!“
Tara lachte leise und strich mit ihrer sorgfältig manikürten Hand über Madisons kupferfarben leuchtende Locken. „Hoppla“, sagte sie. „Bin ich da gerade in ein Fettnäpfchen getreten?“
„Weniger ein Näpfchen als ein riesengroßer Napf“, gab Kendra trocken zurück.
Tara, die noch nicht lange in Parable wohnte, hatte sich schnell mit ihr und Joslyn angefreundet und die beiden so gut ergänzt, dass aus dem Duo ein Trio geworden war.
„Wir sind noch nicht auf einen Hund eingestellt, weil wir nicht wissen, wo wir zukünftig wohnen werden“, machte Kendra ihr klar und sah zu Madison, die vor lauter Vorfreude strahlte.
„Wir haben das Cottage“, erwiderte Madison. „Wir haben einen Garten, und schlafen kann Lucys Schwester bei uns.“
„Das sagst du so“, konterte Kendra liebevoll. Sie konnte sich nur zu gut daran erinnern, wie sehr sie sich als kleines Mädchen ein Haustier gewünscht hatte. Ihre Großmutter war strikt dagegen gewesen und hatte immer gesagt, sie habe schon genug damit zu tun, ein Kind
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