Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
für die Kinder werden Spiele veranstaltet.“
„Was denn für Spiele?“, wollte Madison sofort wissen.
„Zum Beispiel Sackhüpfen“, sagte Kendra lächelnd, da sie an glückliche Zeiten zurückdenken musste. „So was in der Art. Es gibt auch Preise zu gewinnen.“
„Was ist Sackhüpfen?“, erkundigte sich Madison, die eine ernste Miene aufgesetzt hatte.
Kendra beschrieb ihr diese Disziplin und musste dabei auch an ein anderes Spiel denken, bei dem zwei Teilnehmern die Fußknöchel zusammengebunden wurden, um zu zweit wie eine dreibeinige Kreatur zu laufen. Sie wusste noch sehr gut, wie sie und Joslyn sich darin versucht hatten und nach ein paar Schritten lachend auf dem altehrwürdigen Rasen des Friedhofs gelandet waren.
„Und es gibt auch Preise?“, hakte sie nach.
„Ja, ich habe mal eine Puppe gewonnen, der man einen echten Fotoapparat um den Hals gehängt hatte. Die habe ich übrigens immer noch.“
Madison sah sie ungläubig an. „Wow“, sagte sie. „Als du ein kleines Mädchen warst, gab es schon Fotoapparate?“
Kendra musste lachen. „O ja. Und es gab auch schon Autos und Flugzeuge und Fernseher.“
Die Kleine dachte eine Weile darüber nach, so intensiv, dass Kendra fast hören konnte, wie sich die Zahnräder in ihrem Kopf drehten.
„Wow“, sagte sie schließlich wieder und klang ehrfürchtig.
Nach dem Abendessen wurde Madison gebadet, dann zog sie ihren Schlafanzug an und Kendra legte ihr im Wohnzimmer eine DVD mit einem ihrer Lieblingstrickfilme ein. Die Kleine ließ sich neben Daisy auf dem Boden nieder und legte ihren Arm um die Hündin, als wäre sie die beste Freundin, und nach kurzer Zeit war sie völlig gebannt von der Geschichte, die im Fernsehen erzählt wurde.
Kendra war froh darüber, denn so musste sie sich nicht zum hundertsten Mal den gleichen Film ansehen, sondern konnte sich in der Küche an den Laptop setzen. Sie würde erst einmal eine Weile im Internet surfen und nach Immobilienangeboten suchen, die von den Eigentümern selbst eingestellt worden waren. Sie war eine professionelle Maklerin, und ein freundlicher Anruf konnte so manchen Eigentümer davon überzeugen, den Verkauf doch lieber von einem Profi erledigen zu lassen. Den meisten Leuten war gar nicht bewusst, was alles bei einem Verkauf zu beachten war.
Allen Absichten zum Trotz lief das Surfen aber darauf hinaus, dass sie im Internet nach Hutch Carmody zu suchen begann - und zwar in Verbindung mit dem Stichwort „Hochzeit“.
Die Seite, auf die sie dabei stieß, hätte ebenso gut „Wir hassen Hutch“ heißen können. Beim Anblick der Fotos und Kommentare verspürte Kendra den eigentlich völlig widersinnigen Wunsch, Hutch zu verteidigen, und das so energisch, wie sie nur konnte.
Da war Brylee zu sehen, die abservierte Braut im Hochzeitskleid ihrer Großmutter, mit gebrochenem Herzen und mörderischer Wut in ihren Augen. Sie sah Hutch, wie er zerknirscht vom Altar abgewandt dastand, die Hände erhoben, als wollte er einen Güterzug stoppen, während die Gäste ihn ungläubig anstarrten. Und ihr entging auch nicht das Foto von der Trauerfeier in der Boot Scoot Tavern mit der traurig dreinblickenden Brylee, deren T-Shirt-Aufdruck keinen Zweifel daran ließ, was sie von Männern hielt.
Pass bloß auf, meldete sich eine Stimme in Kendras Hinterkopf. Doch sie wusste, sie musste nicht auf diese Warnung hören. Was sollte am helllichten Tag auf einem Friedhof passieren, wenn Madison und Leute aus ganz Parable und Umgebung anwesend waren?
5. KAPITEL
„Findest du das eigentlich nicht ein bisschen eigenartig?“, fragte Kendra an Joslyn gerichtet, als sie am Samstagmorgen Opal und einem Dutzend anderer Frauen dabei halfen, das Essen auf den Picknicktischen zu verteilen, die sie auf dem Pioneer Cemetery aufgebaut hatten. „Ich meine, wir feiern hier quasi eine Party auf einem Friedhof.“
Joslyn, die so aussah, als hätte sie Mühe, das Gleichgewicht zu wahren und nicht vornüberzukippen, lächelte sie an und ließ sich auf einer Bank nieder, während um sie herum weiter ausgelassene Stimmung herrschte. „Ich glaube, das ist genau das, was mir an Kleinstädten so gefällt“, erwiderte sie. „Die Art und Weise, wie Leben und Tod miteinander verbunden sind … beides bildet einen Kreislauf, nicht wahr? Das eine kann ohne das andere nicht existieren.“
Nachdenklich betrachtete Kendra die Umgebung und suchte nach Madison, was sie mittlerweile reflexartig in bestimmten Abständen machte. Sie entdeckte
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