Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
„Ich dachte, du besitzt nicht einen Funken Verstand, weil du an Rodeos teilnimmst, Hochzeiten abbläst und wie ein Einsiedler lebst, der doppelt so alt ist wie du.“
„Warum redest du alles schön, Opal?“, scherzte er. „Sag mir doch einfach, was du wirklich denkst.“ Das Essen war verdammt gut, und sein Appetit war ihm nicht verdorben worden.
„Der Mann ist depressiv“, erklärte sie sorgenvoll und stellte den Teller in das nun wieder saubere Spülbecken. „Als Sheriff spielt er uns allen was vor, aber er muss sich ziemlich mies fühlen, wenn er das hier alles so verkommen lässt.“
„Mach dir nicht zu viel Sorgen“, riet Hutch ihr. „Corries Tod hat ihn aus der Bahn geworfen, aber er kommt allmählich zur Besinnung, Opal. Endlich“, fügte er an.
„Ich hoffe, du hast recht“, sagte sie und klang gar nicht überzeugt von seinen Worten.
„Du wirst schon sehen“, versicherte er und fragte sich insgeheim, woher auf einmal diese Zuversicht kam, was die Zukunft seines Freundes anging. Er, Slade und viele andere waren seit Jahren in Sorge um Boone. Dass er sich zur Kandidatur für den Posten des Sheriffs durchgerungen hatte, war das erste Lebenszeichen von ihm seit Corries Tod gewesen, doch seitdem hatte es kaum etwas gegeben, was ihn weiter hätte ermutigen können.
Boone beherrschte seinen Job, denn schon als Slades Deputy war er zuverlässig und grundehrlich gewesen. Seine Kleidung war gebügelt, die Stiefel glänzten, und mit der Präzision eines Uhrwerks ließ er sich einmal im Monat im Frisiersalon Curly Burly die Haare schneiden.
Aber nach dem Dienst kam er heim zu diesem Trailer, und Gott allein wusste, was er in seiner Freizeit machte.
„Er würde gut zu Tara Kendall passen, weißt du?“, überlegte Opal wehmütig. „Beide sind einsam, ihre Grundstücke grenzen aneinander …“
„Und sie hassen sich gegenseitig“, ergänzte Hutch.
„Ja, so wie du und Kendra“, konterte sie lächelnd.
Hutch bemerkte, dass seine Ohren kochend heiß waren. Vermutlich glühten sie in tiefem Rot. „Ich hasse Kendra nicht“, stellte er klar. Ob Kendra ihn hasste, wusste er nicht, aber das wollte er lieber nicht hoffen, weil das für ihn einfach eine zu schlimme Vorstellung gewesen wäre.
„Eben, und Boone hasst Tara auch nicht“, redete Opal weiter und war fest davon überzeugt, dass sie recht hatte. „Sie weckt bei ihm Gefühle, mit denen er lieber nichts zu tun haben möchte, und das macht ihm Angst. Und Tara fürchtet sich ihrerseits genauso sehr vor Boone Taylor.“ Die Pause, die sie folgen ließ, sollte vermutlich nur die Spannung erhöhen, denn gleich darauf legte sie nach: „So wie dir und Kendra.“
Hutch war zu aufgebracht, um noch etwas zu essen, auch wenn sein Hunger nach der anstrengenden Arbeit auf dem Grundstück noch nicht ganz gestillt war. Die Aufräumaktion hatte ihn so hungrig werden lassen, als hätte er den ganzen Vormittag auf der Ranch gearbeitet. Das kam in letzter Zeit allerdings immer seltener vor, da er vor allem seine Mitarbeiter beaufsichtigte, ob sie alles seinen Vorgaben entsprechend erledigten. Wenn er unterwegs war, dann in seinem Truck, während er - wenn die Zeit es zuließ - nur noch zum Vergnügen ritt, nicht aber, um die Herde zusammenzutreiben oder die Zäune auf der Weide zu kontrollieren.
Wenn er nicht aufpasste, würde sich noch seine eigene Prophezeiung erfüllen und er wäre nächste Woche tatsächlich zu dick, um am Rodeo teilzunehmen.
Er stand auf und brachte Teller und Besteck zur Spüle und tauchte beides in das heiße Spülwasser ein, das Opal vorbereitet hatte. Dann verließ er die Küche.
„Wir sollen da rübergehen?“, wiederholte Kendra ungläubig, während sie durch das Fernglas sah, das Tara mit auf die Veranda genommen hatte, damit sie heimlich beobachten konnten, was sich auf Boones Grundstück abspielte. Ihr wurde heiß, als sie sah, wie Hutch sein T-Shirt auszog und seinen schlanken, muskulösen Oberkörper präsentierte. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie gern sie sich früher an seine Brust geschmiegt hatte. „Bist du verrückt?“
„Unter Nachbarn ist das doch ganz normal“, erwiderte Tara und nahm das Fernglas an sich. Lucy und Daisy, die sich den Tag über in Taras Garten beim Nachlaufen und bei der Jagd auf Grashüpfer müde gespielt hatten, lagen im Schatten eines knorrigen alten Apfelbaums und schliefen fest.
„Seit wann unterhältst du denn mit Boone so etwas wie eine ‚nachbarschaftliche
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