Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
Beziehung‘?“, wollte Kendra wissen. Natürlich hätte sie Hutch Carmody zu gern aus der Nähe ohne Hemd erlebt, aber diesem Verlangen durfte sie nicht nachgeben.
„Tu ich gar nicht“, gestand Tara ihr ein. „Aber nach all meinen spitzen Bemerkungen über seinen Schandfleck von Grundstück ist es doch wohl das Mindeste, wenn ich ihn anfeure, diesen Frühjahrsputz bloß konsequent durchzuziehen.“ Sie gab Kendra das Fernglas zurück, die es gleich wieder benutzte. „Außerdem ist Opal auch da und macht sich die Finger schmutzig. Vielleicht können wir ihr ja helfen.“
„Klar“, meinte Kendra dazu und warf einen Blick auf ihren Anzug und ihre hochhackigen Schuhe. „Ich bin ja auch für so was genau richtig angezogen.“ Ihr Herz schlug schneller, als sie sah, wie Hutch sich mit dem T-Shirt den Schweiß von der Stirn und aus dem Nacken wischte. Das Spiel seiner Arm- und Schultermuskeln ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. „Du dagegen siehst so aus, als hättest du gerade den Acker umgepflügt. In deiner Aufmachung kannst du ohne Weiteres rübergehen und deine Hilfe anbieten.“
„Nicht ohne Verstärkung“, beharrte Tara.
„Dann nimm Opal, sie ist Verstärkung genug“, konterte Kendra.
Es kam ihr fast so vor, als wüsste Hutch, dass sie ihn beobachtete. Jede seiner Gesten wirkte so übertrieben und so betont langsam, als wollte er sie damit aus der Ruhe bringen. Allein die Art, wie er ging, so gemächlich und selbstsicher wie ein Revolverheld aus alten Zeiten, so als würde ihm der Boden gehören, über den er ging. Und wie er zwischendurch den Kopf in den Nacken warf und über etwas lachte, das Opal ihm von der Veranda aus zurief.
„Hast du etwa Angst?“, neckte Tara sie.
„Nein“, behauptete sie und ließ das Fernglas nur unwillig sinken. Sie brauchte einen Moment, um das Bild des halb nackten Hutch Carmody zu verarbeiten. „Aber ich muss Madison von der Tagesstätte abholen, dann muss ich mir Gedanken über das Abendessen machen und …“
„Madison musst du erst in zwei Stunden abholen“, betonte Tara.
„Warum willst du das überhaupt machen?“, fragte Kendra, die sich von Taras Logik in die Ecke gedrängt fühlte. „Du kannst Boone Taylor doch gar nicht ausstehen!“
„Wie ich schon sagte“, erklärte Tara in einem selbstgerechten Tonfall. „Gutes Verhalten sollte man loben und fördern. Außerdem will ich wissen, was ihn dazu antreibt, da drüben auf einmal alles auf Vordermann zu bringen.“
Seufzend musste Kendra an ihr Telefonat mit Joslyn denken, das sie am Morgen geführt hatte. „Wenn es nur darum geht, kann ich dir auch die Antwort liefern“, entgegnete sie wichtigtuerisch. „Boones Jungs kommen über Wochenende zu Besuch, und deshalb räumt er jetzt auf.“
„Boone hat Kinder?“ Taras Miene verriet, dass sie wirklich überrascht war.
„Zwei“, antwortete sie und fragte sich, wie Tara schon so lange in Parable leben konnte, ohne jemals davon gehört zu haben. „Seit dem Tod seiner Frau leben sie bei der Familie seiner Schwester in Missoula.“
„Dass er Witwer ist, wusste ich“, sagte Tara betrübt. „Aber dass er Kinder hat … und die beiden hat er nach dem Tod ihrer Mutter einfach bei seiner Schwester einquartiert?“
„Also, ich glaube nicht, dass es für ihn so ‚einfach‘ gewesen sein dürfte …“, begann Kendra, verstummte dann aber. Sie mochte Boone, und sie wollte sich auf seine Seite stellen, falls das nötig werden sollte. Auch wenn sie ihn so wie praktisch jeder in Parable am liebsten gepackt und durchgeschüttelt hätte, weil ihm nichts Besseres in den Sinn gekommen war, als die beiden Jungs, die soeben ihre Mutter verloren hatten, zu seiner Schwester zu schicken, womit ihnen praktisch auch noch der Vater genommen worden war.
„Er ist ja noch egoistischer, als ich gedacht hatte“, urteilte Tara energisch. Sie stand von ihrem Stuhl auf und brachte das Fernglas ins Haus, dann kehrte sie auf die Veranda zurück. Offenbar war die Zeit der Spionage vorbei. „Wie kann man so etwas nur tun?“, schimpfte sie und setzte sich wieder hin.
„Du warst nicht dabei, als seine Frau starb“, sagte Kendra, die mit Boone mitgefühlt hatte und es jetzt auch noch tat. „Es war einfach schlimm, Tara. Corrie hatte zum Ende hin schreckliche Schmerzen, und Boone konnte nichts tun, um ihr zu helfen. So etwas ist für jeden Menschen schlimm, aber vor allem für einen Mann, der sein Leben lang hatte stark sein müssen.“
„Ich wette, für die
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