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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Gregory & Eklund Benford
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ih­re Grö­ße und Ab­mes­sun­gen. Er kann­te Son­nen­fle­cken, So­lar­win­de und So­la­rat­mo­sphä­re. Aber das war al­les. War die Son­ne ein wohl­wol­len­der Stern? War sie stän­dig zor­nig? Ver­ehr­te die Mensch­heit sie mit der an­ge­mes­se­nen Lie­be und Hin­ga­be? „Das ist sein volks­tüm­li­cher Na­me. In der al­ten Spra­che, wel­che die Wis­sen­schaft ver­wen­det, nennt man ihn ‚Sol’. Er liegt et­wa acht …“
    „Oh“, sag­te Jo­na­thon, „al­les das wis­sen wir be­reits. Aber sein Ver­hal­ten. Sei­ne Lau­nen, die nor­ma­len und die ab­nor­ma­len. Sie spie­len mit uns, Br­ad­ley Reynolds. Sie scher­zen. Wir ver­ste­hen, daß es Sie amü­siert, aber bit­te – wir sind ein­fa­che See­len, und wir ha­ben ei­ne wei­te Rei­se hin­ter uns. Die­se an­de­ren Din­ge müs­sen wir wis­sen, be­vor wir es wa­gen, uns dem Stern per­sön­lich zu na­hem. Kön­nen Sie uns sa­gen, in wel­cher Wei­se er ihr per­sön­li­ches Le­ben am häu­figs­ten be­ein­flußt hat? Das wür­de uns schon sehr viel wei­ter hel­fen.“

2

    Ob­gleich sein Zim­mer völ­lig im Dun­keln lag, mach­te sich Reynolds beim Ein­tre­ten nicht die Mü­he, das Licht ein­zu­schal­ten. Er kann­te je­den Zoll die­ses Zim­mers, kann­te es im Dun­keln so gut wie im Hel­len. In den letz­ten vier Jah­ren hat­te er durch­schnitt­lich zwölf Stun­den täg­lich hier ver­bracht. Er kann­te die vier Wän­de, den Schreib­tisch, das Bett, die Re­ga­le, die Bü­cher, er kann­te sie bes­ser, als er je­mals einen an­de­ren Men­schen ge­kannt hat­te. Er er­reich­te das Klapp­bett, oh­ne ein­mal mit dem Fuß ir­gend­wo an­zu­sto­ßen oder über ein of­fe­nes Buch zu fal­len oder über ei­ne aus­ge­brei­te­te Kar­te zu stol­pern, und setz­te sich dar­auf. Er leg­te die Hän­de auf sein Ge­sicht und spür­te die Fal­ten auf sei­ner Stirn wie große, brei­te Strie­men. Es gab ein Spiel, das er ge­le­gent­lich mit die­sen Fal­ten spiel­te, wenn er al­lein war. Er tat dann so, als ob je­de von ih­nen ein Er­eig­nis, ei­ne Fa­cet­te sei­nes Le­bens re­prä­sen­tier­te. Die­se hier, die große über sei­ner lin­ken Au­gen­braue – das war der Mars. Und die hier, fast schon an sei­nem rech­ten Ohr – das war ein Mäd­chen na­mens Me­lis­sa, das er da­mals in den acht­zi­ger Jah­ren ge­kannt hat­te. Aber jetzt war er nicht in der rich­ti­gen Stim­mung für die­ses Spiel. Er ließ die Hän­de sin­ken. Im Grun­de wuß­te er ge­nau, was die Fal­ten in Wirk­lich­keit wa­ren: das Al­ter, schlicht, ein­fach und ehr­lich – das Al­ter. Kei­ne von ih­nen be­deu­te­te et­was oh­ne die an­de­ren. Sie re­prä­sen­tier­ten un­per­sön­li­che und un­ver­meid­li­che Ero­si­on. Sie wa­ren ein äu­ßer­li­cher Re­flex des To­des, der im In­nern von­stat­ten ging.
    Den­noch war er froh, wie­der hier in die­sem Zim­mer zu sein. Es war ihm nie be­wußt ge­we­sen, wie über­aus wich­tig die­se ver­trau­te Um­ge­bung für sei­nen Ge­müts­zu­stand war, bis man ihn ih­rer für ei­ne Wei­le be­raubt hat­te. In dem frem­den Raum­schiff war es so schlimm nicht ge­we­sen. Dort war die Zeit schnell ver­gan­gen; man hat­te gar nicht erst zu­ge­las­sen, daß Heim­weh in ihm auf­stei­gen konn­te. Da­nach erst war es schlimm ge­wor­den. Mit Kel­ly und den an­de­ren in ih­rem dump­fen, häß­li­chen, un­per­sön­li­chen Loch von ei­nem Bü­ro. Das erst wa­ren wirk­lich un­er­träg­li­che Stun­den ge­we­sen.
    Aber jetzt war er zu Hau­se, und er wür­de erst wie­der von hier weg­ge­hen müs­sen, wenn sie es sag­ten. Man hat­te ihn zum of­fi­zi­el­len Ab­ge­sand­ten für die Ali­ens er­nannt, aber er mach­te sich nicht ei­ne Se­kun­de lang et­was vor. Er hat­te die­se Er­nen­nung nur be­kom­men, weil Jo­na­thon sich ge­wei­gert hat­te, mit ir­gend je­mand an­de­rem zu­sam­men­zu­tref­fen. Nicht weil ir­gend je­mand ihn moch­te oder re­spek­tier­te oder ihn für kom­pe­tent ge­nug hielt, die­sen Auf­trag zu er­fül­len. Er war an­ders als sie, und das war al­les. Als sie noch Kin­der wa­ren, hat­ten sie sein Ge­sicht je­de Wo­che in den al­ten Fern­seh­pro­gram­men ge­se­hen, Abend für Abend. Kel­ly hät­te es

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