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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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entwichen, um das freie Leben der Fahrenden zu genießen?«
    Anna lachte und schüttelte den Kopf.
    »Aber nein, obwohl das eine gute Geschichte für Euch gäbe, nicht wahr?«
    »Eine gute, aber keine neue, edle Frau.«
    »Was mag schon neu sein für einen Mann wie Euch?«
    »Weniges, da habt Ihr Recht. Aber Euren Namen könntet Ihr mir nennen, da Ihr den meinen schon kennt.«
    »Der Eure ist öffentlich verkündet worden und gehört Euch damit nicht mehr. Den meinen behalte ich.«
    »Ein kluges Weib zudem. Aber Ihr seid nicht in diese trübe Herberge gekommen, um mich mit Eurer Weisheit zu erfreuen.«
    »Nein, Meister Cullmann, das bin ich wahrlich nicht. Ich habe eine Frage an Euch.«
    »Ist sie vertraulicher Natur? Berolf, entferne dich!« Sein Spielpartner stand auf und verabschiedete sich mit einer Geste.
    »Verzeiht ihm, der Narr kann nicht sprechen. Aber das bunte Kleid trägt er mit Würde, und sein Possen sind auch ohne das gesprochene Wort verständlich. Nun, schöne Frau, wie lautet Eure Frage?«
    »Das Mädchen, das Ihr geneckt habt, ist meine Magd. Und Ihr habt sie in Euren Bann gezogen. Vorgestern kam sie erst spät nach der Complet zurück.«
    »Ja, ich selbst brachte sie zur Pforte. Verzeiht, wenn es Euch Ungelegenheiten gemacht hat, die Kleine war so eifrig und so wissbegierig. Wir hatten harmlosen Spaß miteinander.«
    »Harmlos, ja. Vorgestern. Und gestern?«
    »Gestern? O ja, sie kam nach der Vesper. Wir gaben unsere Vorstellung in der Schenke ›Zum vollen Krug‹. Doch sie blieb nicht lange. Noch vor dem Abendläuten war sie verschwunden.«
    »Und blieb verschwunden. Sie kehrte nicht ins Stift zurück.«
    »Das ist betrüblich. Wartet, ich will meine Begleiter fragen, ob sie sie gesehen haben. Wollt Ihr mitkommen? Wir haben die Erlaubnis, unsere Wagen im Hof abzustellen und können, dem Himmel sei Lob und Dank, dort unter dem Sternenzelt schlafen. Die Kammern in dieser Herberge sind ein Gräuel!«
    Sie folgte ihm in den Hof, betrachtete das Lager aber nur von der Tür aus. Grellbunte Kleidungsstücke lagen herum, manche hingen tropfend auf einer Leine zum Trocknen, eine Frau flickte einen roten Rock, ein Alter schnitzte an einem Narrenszepter, der Trommler undder Sackpfeifer würfelten und tranken dabei aus Steingutkrügen Bier. Ein Junge übte mit geringem Ehrgeiz, mit vier Kugeln zu jonglieren, ein Äffchen sah ihm zu, das an einer Kette an einem der Wagen angebunden war. Es nagte dabei an einem Apfelgehäuse.
    Julius befragte die Leute, sie sahen verstohlen zu Anna hin, kamen aber nicht näher. Ihre Reaktionen aber zeigten ihr schon, dass sie Valeska nicht weiter gesehen hatten.
    »Tut mir Leid, Domina, sie haben sie nach unserer Vorstellung nicht mehr gesehen. Kann ich Euch noch auf andere Weise behilflich sein?«
    Anna seufzte.
    »Ich weiß nicht, wo ich sie suchen soll. Wenn ihr auf dem Heimweg ein Leid geschehen ist...«
    »Kommt in den Schankraum, dort ist es wenigstens etwas kühler. Und der trottelige Wirt hat einen brauchbaren Apfelwein. Ihr braucht einen Schluck, Ihr seht blass aus.«
    »Ich sollte nicht...«
    »Nein, Ihr solltet nicht. Aber Ihr solltet auch nicht hier sein. Aber ich glaube, ganz fremd ist Euch dies Viertel nicht, selbst wenn Ihr eine Stiftsdame seid. Es muss Euch mit der kleinen Magd mehr verbinden, als offensichtlich ist.«
    Anna setzte sich zu dem Sänger an einen Tisch und ließ sich einen Becher Apfelwein einschenken. Der Mann war freundlich, auch wenn er sie viel zu gut durchschaute. Das aber mochte daran liegen, dass er weit gereist war und viele Schicksale kannte, unzählige Geschichten gehört und die menschliche Natur in vielen Schattierungen erlebt hatte. Wenn es jemanden gab, der möglicherweise etwas über Valeskas Verbleiben herausfinden konnte, dann er.
    »Mein Name ist Anna, Meister Cullmann. Und ja, Ihr habt Recht. Das Mädchen ist hier aufgewachsen. Ein Bettelkind, aber als sie sieben oder acht Jahre alt war, kam sie mir einmal zur Hilfe. Ich habe sie anschließend in meine Obhut genommen und zu meiner Magd gemacht. Sie entwickelte ein heiteres, sonniges Gemüt, und dankte mir mit ihrer Zuneigung und ihrem Vertrauen.«
    »Nennt mich Julius, Frau Anna. Es stimmt, das Mädchen strahlt wie eine kleine Sonne, sie gewann die Herzen meiner Freunde und die des Äffchens. Ist sie Eure Tochter?«
    »Bitte?«
    »Nun, so unmöglich ist das nicht, oder? Eurer Geschichte fehlt etwas. Edle Damen pflegen Gossenkindern gewöhnlich für Hilfsdienste ein paar

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