Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
»Hört auf zu schwatzen und geht an Eure Arbeit.«
    Die Frauen schwiegen, die beiden Knechte murrten, aber sie verließen die Eingangshalle.
    »Ihr seid Gerhard, nicht wahr?«
    »Ja, Frau Anna. Und wenn Ihr mir folgt, dann will ich Euch berichten, was geschehen ist. Ich denke, es betrifft auch Euch. Es ist gut, dass Ihr just zu dieser Stunde vorbeigekommen seid. Hier, in mein Kontor.«
    Er führte Elfrieda und Anna in einen kleinen ebenerdigen Raum, von dem aus er das Geschehen im Hof des Gewürzhändlers beobachten konnte. Dicke Rechnungsbücher lagen auf dem Bord, auf einem Schreibpult stapelten sich Listen, es roch nach Ingwer und Zimt, Piment und Nelken, die in kleinen Kistchen auf einer Truhe standen. Proben von den Lieferungen, die in dem Vorratshaus sackweise lagerten. Er nahm sie herunter und bot den beiden Frauen die Truhe als Sitzplatz an.
    »Es ist etwas Furchtbares geschehen, Frau Anna, und ich bin selbst noch immer entsetzt, welche Folgen es hat.«
    Gerhard war ein ergrauter Mann Mitte der Fünfzig, hager, aber sehnig und in schlichtes dunkles Tuch gekleidet. Anna wusste, Hrabanus vertraute ihm voll und ganz und legte die Haus- und Geschäftsführung während seiner Reisen in seine Hände. Sie hatte ihn dann und wann getroffen und ihn für einen beherrschten, umsichtigen Mann gehalten. Jetzt wirkte er einigermaßen aufgelöst, und seine Hände beschäftigten sich fahrig mit einer Schreibfeder.
    »Nun berichtet, Gerhard. So furchtbar kann es doch nicht sein. Ein Missverständnis wahrscheinlich.«
    »O nein. Leider nicht. Frau Anna, als ich heute Morgen in den Hof kam, hatte man uns einen Korb mit frischgewaschenem Leinen gebracht. Das ist nicht ungewöhnlich. Wenn große Wäsche zu machen ist, übernehmen das oft die Waschfrauen gegen Bezahlung. Ich sagte Mathilde Bescheid, dass der Korb im Hof stand. Aber Mathilde hatte kein Leinen zum Waschen gegeben. Wir bekamen am Vormittag eine neue Lieferung Gewürze, und so blieb der Korb bis zum Nachmittag unbeachtet in einer Ecke im Vorhaus stehen. Dann kam Mathilde, um die Wäsche zu begutachten. Sie sagte, es seien keine Leintücher aus diesem Haus. Es musste jemand sie falsch abgeliefert haben. Es waren, wie die Knechte sagten, zwei struppige Gassenjungen gewesen, die den Korb noch vor der Prim hergebracht hatte. Wer sie waren, daran konnte sich keiner von beiden erinnern. Also meinte Mathilde, wir sollten schauen, ob die Laken irgendwie gekennzeichnet waren, damit wir sie dem rechtmäßigen Besitzer zustellen könnten. Wir hoben die beiden ersten Tücher hoch, und...«
    »Gerhard?«
    Die Feder in seiner Hand war zerbrochen. Aber er fasste sich wieder und sagte langsam: »Es lag ein Körper in dem Korb, Frau Anna!«
    »Gnädiger Herr Jesus!«, stieß Elfrieda aus, aber Anna blieb stumm.
    »Ein Mädchen. Frau Anna, es tut mir entsetzlich Leid, aber ich fürchte, ich erkannte die Kleine sofort.« »Valeska, nicht wahr?«
    Annas Mund war trocken.
    »Ja, Eure Magd. Ich nehme an, Ihr seid hergekommen, um nach ihr zu fragen?«
    »Ja, wir vermissen sie seit gestern Nachmittag.« »Gott sei uns gnädig!«
    »Sie... sie ist tot?«
    »Ja, sie ist tot.«
    »Wie?«
    »Ich weiß es nicht. Es... nun, ihre Kleider waren blutbefleckt.«
    »Habt Ihr Frau Rosa berichtet?«
    »Sie war außer Haus. Ich... ich habe den Turmmeister benachrichtigt. Er schickte sofort seine Gewaltdiener.«
    »Er wird eins und eins zusammengezählt haben. Ich habe Valeska bei ihm als vermisst gemeldet.«
    »Sie haben das Mädchen mitgenommen und sind dann wiedergekommen, um Frau Rosa zu holen.«
    »Aber warum? Sie hat doch damit gar nichts zu tun?«
    »Wenn ich das wüsste. Sie haben nichts gesagt, Frau Anna. Ich bin ganz verzweifelt. Und ich kann noch nicht einmal den Herrn verständigen.«
    »Ist Carolus in Köln?«
    »Auch nicht, Frau Anna.«
    »Der Rechtsbeistand des Herrn? Einen seiner Advokaten solltet Ihr auf jeden Fall verständigen.«
    »Ja, Ihr habt Recht, Frau Anna. Das will ich sogleich tun.«
    »Und ich werde zum Turm gehen und versuchen, mit ihr zu sprechen.«
    »Ja, Frau Anna, tut das. Wahrscheinlich habt Ihr mit Eurer schwarzen Tracht da Erfolg, wo andere abgewiesen werden.«
    »Ich möchte vorher noch mal mit Eurer Beschließerin sprechen. Mathilde hat meine Magd auch erkannt?«
    »Ja, natürlich. Sie ist völlig am Boden zerstört, Frau Anna. Sie mochte die Kleine. Hat ihr immer Leckereien zugesteckt, wenn Ihr sie auf Eure Besuche mitgebracht habt.«
    »Das habe ich mir gedacht. Am

Weitere Kostenlose Bücher