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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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geschehen war. Fassungslos kniete er nieder und beugte sich über die stumme Gestalt.
    »Anna, Anna, mein Herz.«
    Ihre Augenlider flatterten, und verwirrt blinzelte sie. »Vater!«, flüsterte sie angestrengt und schüttelte dann schwach den Kopf. »Herr...«
    »Sei still, Anna.«
    Vorsichtig nahm er sie in die Arme und stützte sie. Sie stöhnte auf, bewegte sich aber nicht. Ihre Augen waren wieder geschlossen. Dann aber sagte sie leise: »Und ich wollte Carolus heiraten...«
    Ihr Kopf lag an seiner Schulter, und vorsichtig entfernte Hrabanus ihren Schleier. Ein verlorenes Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel.
    »›Lege ich mich nieder, so schlaf ich auch bald in Frieden, denn du, o Herr, hältst mich in deiner Hut.‹« »Mein geliebtes Kind!«
    »Halte mich, mir ist so kalt.«
    Hrabanus streichelte ihr von Ruß und Staub verschmiertes Gesicht, zu erschüttert, um irgendwas zu sagen.
    »Ich wäre so gerne bei dir geblieben. Doch nun... Vater, wohin führt mein Weg? Ist mir die Hölle gewiss für meine Sünde?«
    »Nein, mein Herz. Wie kann deine Liebe dich in die Hölle führen. Zu den Sternen, Anna, wirst du gehen. Hoch an den Himmel, in die Sphären der Engel«, flüsterte Hrabanus rau.
    Sie schwieg, und ihr Atem wurde flacher und flacher. Das Blut verströmte in ihrem Körper mit jedem Schlag ihres verwundeten Herzens. Doch noch einmal hauchte sie: »In deinen Armen will ich schlafen.«
    »Ja, Kind. Ich halte dich. Ich werde dich immer halten.«
    »Ich liebe dich, Herr. Über alle Zeiten und Welten hinaus.«
    Es wurde dunkel für Anna, und das Letzte, was sie hörte, waren die verzweifelten Worte von Hrabanus, dem Raben: »Mein Kind, mein Herz, meine Geliebte...«
    Nicht weit von ihnen, just außerhalb der Umfriedung, die den Hof umgab, stand Marcel, als das Schwarzpulver explodierte. Er konnte nicht anders, er musste zurück, und als er über die Mauer spähte, sah er die sterbende Anna in Hrabanus’ Armen. Und mit einem gotteslästerlichen Fluch verdammte er die Zaubersche, die ihn dazu gebracht hatte, die Jungfrau zu schänden und umzubringen, die Anna wie ihre Tochter geliebt hatte.

 
     
     
Gegenwart

35. Kapitel
 
 Vaterverdacht
    »Nicht schon wieder«, schniefte Cilly. »Nicht schon wieder. Was hat sich euer Vater nur dabei gedacht, so schreckliche Geschichten zu erzählen?«
    Ich sah Rose an.
    »Ich weiß es auch nicht. Sie endet, wie die erste auch. Annik und Anna starben auf die gleiche Weise.«
    »Aber aus einem anderen Grund. Diesmal war sich Anna sicher, dass Rosa das Verbrechen nicht begangen hat. Annik hingegen glaubte, Rosina habe Marius ermordet und hat diese Schuld auf sich genommen.«
    »Wir können bestimmt noch einmal die gleiche Zeit darauf verwenden, die beiden Geschichten zu vergleichen, wie wir gebraucht haben, sie zusammenzutragen. Aber ich weiß nicht, ob uns das viel hilft«, meinte Rose nachdenklich. »Es ist eine andere Zeit, es sind ganz andere Umstände, eine andere Kultur, anderer Glauben. Also handeln die Beteiligten auch anders.«
    »Ja, obwohl sie sich ähnlich sind. Uns das vor Augen zu führen, vermute ich, hat Julian damit bezwecken wollen.«
    »Und wir, die wir heute leben, werden wieder anders handeln.«
    »Mich hat er ja total skrupellos umgebracht! Ich werd’ auf jeden Fall keine Kneipe aufsuchen, um irgendwelche Sänger anzuhimmeln!«, brachte Cilly vehement vor. »Nicht, dass da plötzlich jemand nach meinem Blut lechzt.«
    »Ein weiser Entschluss.«
    »Und ob ich Marc noch so unheimlich nett finde, weiß ich auch nicht mehr!«
    »Er ist nett, aber gefährlich, Cilly. Frauen bedeuten ihm viel, aber eher allgemein, nicht im Besonderen. Man kann wunderbar mit ihm flirten, aber verlieben darf man sich nicht in ihn.«
    »Ich bin’s aber trotzdem!«, sagte Cilly leise.
    »Tja, das lässt sich leider manchmal nicht vermeiden.«
    »Und außerdem glaube ich, er mag dich sehr gerne, Anita.«
    »Solange er mich vor Augen hat. Er kommt ungeheuer gut ohne mich aus, wenn er ein lohnenderes Projekt verfolgt.«
    Wir saßen in Roses anheimelndem Wohnzimmer zusammen. Teetassen standen auf dem Tisch, dazwischen Teller mit Brotkrümeln und Bestecken. Wir hatten bis in den späten Nachmittag hinein die Geschichte von Rosa und Anna verfolgt und schließlich beendet. Es war ein dicker Stapel Papier, den sie ergeben hatte, die letzten Seiten würde ich am Abend ausdrucken. Das Stundenbuch hatte ich noch einmal kopiert und die Blätter mit den Miniaturen den entsprechenden Kapiteln

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