Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
Vom Netzwerk:
gespielt?«
    Wieder machte Alan Marsh eine Allzweckgeste Marke »Weiß nicht«. »Is’ schon lange her«, meinte er. »Kam mir jedenfalls so vor. Wieso woll’n Sie’n das überhaupt wissen?«
    Marvel hatte nicht mit dieser Frage gerechnet und ärgerte sich, dass er nicht darauf gefasst gewesen war. Er plusterte sich ein wenig auf. »Es beunruhigt uns immer, wenn ein Polizeibeamter im Dienst in eine öffentliche Schlägerei verwickelt wird, Mr. Marsh. Sie etwa nicht?«
    Der Mann zuckte die Achseln. »Danny war total neben der Spur. Und er hat doch als Erster zugeschlagen.«
    So war das eben auf dem Land, nahm Marvel an. In der Stadt wäre Jonas Holly bereits vom Dienst suspendiert worden und hätte ein Verfahren am Hals. Hier fand der Vater des Opfers, dass sein Sohn eine Tracht Prügel von der Polizei verdient hatte.
    Erfrischend.
    Reynolds seufzte abermals, und Marvel warf ihm einen bösen Blick zu, ehe er sich wieder Alan Marsh zuwandte, der aussah, als interessiere ihn nicht einmal das Leben selbst, geschweige denn dieses Gespräch.
    »Haben Sie schon einmal erlebt, dass Officer Holly sich so verhalten hat?«
    »Nein, aber ich hab oft genug erlebt, dass Danny sich so benomm’ hat.«
    »Nun ja, er hatte doch gerade unter tragischen Umständen seine Mutter verloren.«

    »Schwachsinn«, knurrte Marsh. »So is‘ er einfach. Is’ schon seit Jahren so.«
    Marvel war verblüfft und sah auch so aus, also fuhr Alan Marsh fort. »Manchmal war er beim Doktor. ’nem Psychiater. Sie wissen schon.«
    Marvel wusste. Seine Spürnase für Tatmotive begann zu zucken.
    »Was ist denn mit ihm nicht in Ordnung, Mr. Marsh?«
    »Nich’ viel. Bloß ’n bisschen hier und ’n bisschen da. Is’ nich’ gefährlich oder so. Hängt bloß manchmal ’n bisschen durch, das is’ alles.«
    »Depressiv?«
    »Denk schon. Hängt halt ’n bisschen durch.«
    »War er jemals wegen Depressionen oder irgendetwas anderem in einer Klinik?«
    »O nein«, wehrte Alan Marsh entschieden ab. »Er is’ kein Irrer, versteh’n Sie? Nur manchmal ’n bisschen überdreht, und dann hängt er wieder ’n bisschen durch.«
    »Manisch-depressiv«, schlug Reynolds vor, der bei sich dachte, dass er aufstehen und das Weite würde suchen müssen, wenn Alan Marsh noch einmal »hängt ’n bisschen durch« sagte.
    »Wenn man das so nennt.«
    »Immer schon?«
    »Nich’ immer«, meinte Alan Marsh und sah aus, als dächte er zum allerersten Mal darüber nach. »Seit er ungefähr zwölf war, oder dreizehn. Ungefähr von da an.«
    »Und das war so ungefähr die Zeit, als er und Jonas sich zerstritten haben?« Marvel war wieder im Gleis.
    »Denk schon.«
    »Fällt Ihnen da irgendein bestimmter Grund ein?«, fragte Marvel ohne jegliche Hoffnung, dass dies der Fall sein würde.
    »Nein.«
    Natürlich nicht. Das wäre auch verdammt noch mal zu einfach.

     
    Sie gingen.
    »Wieso interessieren Sie sich so für Jonas, Sir?«
    Marvel biss die Zähne zusammen. Man konnte sich darauf verlassen, dass Reynolds sofort die richtigen Schlüsse zog.
    Ihm war, als würde sein linker kleiner Zeh feucht  – auf dem kurzen Weg zum Auto! Diese Schuhe würde er wegschmeißen müssen. Hinter dem Dorf bildete der Schnee eine weihnachtsweiße Decke. Hier bestand er lediglich aus Matschrillen und rieselndem Wasser. Wo sie auch hinkamen, was sie auch taten, das Gurgeln von heftig beanspruchten Gullys begleitete sie. Nachts gefror das Ganze wieder und machte jeden Schritt zu einem Wagnis. Diese verdammte komplizierte Straßenführung, die ihm Gummistiefel und trockene Füße verwehrte.
    »Er gibt mir zu denken.«
    Reynolds lächelte. »Dann sieht er jetzt wohl vielversprechend aus, Sir, wie?«
    Bis zu diesem Augenblick war Marvel lediglich misstrauisch gewesen. Hatte so ein unbestimmtes Gefühl gehabt. Ein intuitives Gefühl, dass bei Jonas Holly nicht alles ganz richtig war.
    Doch in dem Moment, als Reynolds das sagte  – in diesem belustigten, herablassenden Tonfall  –, beschloss Marvel, dass Holly tatsächlich vielversprechend aussah. Sehr vielversprechend.
    Und dass er recht hatte.
    Und dass er fast alles tun würde, um zu beweisen, dass Reynolds nicht recht hatte.
     
    Es war vorbei.
    Danny Marsh wusste es.
    Er hatte es von dem Augenblick an gewusst, als er hinter seinem Vater her über das Spielfeld gerannt war und seine Mutter im Raureif hatte liegen sehen wie einen niedergestreckten Fußballer, der auf einen Eisbeutel oder eine Trage wartete.

    Danny hatte gewusst, dass

Weitere Kostenlose Bücher