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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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der anderen Straßenseite.
    Direkt gegenüber wohnten die Marshs  – ein kleines Haus, zwei Zimmer oben, zwei unten. Er wusste, dass es blassgrün war, im Licht der Straßenlaternen jedoch sah es einfach nur schmuddelig aus.

    In Dannys Zimmer brannte Licht hinter den Vorhängen  – oder vielmehr in dem Zimmer, das früher das Dannys gewesen war. Jonas nahm an, dass das wahrscheinlich immer noch so war. Daneben war Angela Stirks Haus, wo, wie Jonas wusste, Peter Priddy jeden Samstagabend verbrachte, an dem ihr Mann nicht da war. Jonas ging davon aus, dass einer ihrer Nachbarn Marvel das gesteckt hatte, weil er den Krach leid war. Auf der anderen Seite der Marshs wohnte Ted Randall, der gigantisches Gemüse für die Landwirtschaftsausstellung zog. Dann kam das Haus der Peters’, in das Billy Peters nie zurückgekehrt war und wo Steven Lamb jetzt wohnte wie ein Ersatzmann … Jonas ging auf, dass er mit dem Blick die ganze Straße hinunterwandern und die Bewohner jedes kleinen Zuhauses beim Namen nennen konnte, dass er ihre Geschichte kannte und ihre Geheimnisse bewahrte.
    Auf dem Gehsteig gegenüber sah er Neil Randall vom Pub nach Hause humpeln. Er fragte sich, wie es wohl war, im Sand aufzuwachen und das eigene Bein neben seinem Kopf liegen zu sehen; so war es Neil gegangen, hatte er gehört. Wie merkwürdig. Wie seltsam. Wie viel einfacher, sich so die Schnürsenkel zu binden. Jonas lächelte und hatte ein schlechtes Gewissen.
    Wieder blickte er die Straße hinauf, doch alles war ruhig.
    »Scheiße!«
    Das Wort wurde von einem Scharren und einem dumpfen Aufprall begleitet, und Jonas schaute über die Straße und sah Neil zwischen zwei geparkten Autos auf dem Rücken im Rinnstein liegen. Er eilte hinüber.
    »Alles klar, Neil?«, erkundigte sich Jonas und bot dem anderen die Hand.
    Neil betrachtete die Hand, ignorierte sie und versuchte, sich allein aufzusetzen. Jonas zog die Hand zurück und ließ ihn sich abmühen. Über einer Unterströmung aus wüsten Flüchen stieg Alkoholdunst in Wellen von ihm auf.
    Jonas erinnerte sich noch von der Schule her an Neil Randall.
Auf dem Fußballplatz war er ein Star gewesen  – flink, leichtfüßig und hart im Nehmen. Mit zwei Beinen, natürlich.
    »Fuck«, stieß Neil hervor, und Jonas wurde bewusst, dass er an seinem Schenkel herumtastete. Er schaute nach unten und sah, dass Neils rechtes Bein ungefähr dreißig Zentimeter länger geworden war als das linke. Einen Augenblick lang konnte sich sein Gehirn nicht auf diese Anomalie einstellen, dann wurde ihm klar, dass Neil Randalls Prothese sich gelöst hatte und langsam aus seinem Hosenbein herausrutschte. Im orangegelben Schein der Straßenlaternen konnte er den Rand einer dicken Socke erkennen und den Anfang von glänzender Plastikhaut.
    Jonas bückte sich und versuchte, die Prothese wieder hochzuschieben, doch dabei ballte sich lediglich Neils Jeans an der leeren Hüfte zusammen.
    »Dochnichso«, lallte Neil und stieß seine Hände weg. »Machsab.«
    Behutsam zog Jonas an dem matschbedeckten Stiefel; das Ganze kam ihm unwirklich vor. Die Prothese rutschte ein Stück heraus und blieb dann mit dem Oberschenkelteil in dem engen Hosenbein von Neils Jeans stecken.
    »Es sitzt fest«, meldete er.
    »Was?«, fragte Neil aggressiv, als sei das alles Jonas’ Schuld.
    »Das Teil steckt in deiner Jeans fest, Kumpel. Soll ich’s wieder reinschieben?«
    »Mach das Ding ab!«, fauchte Neil.
    »Es steckt fest.« Allmählich wurde Jonas ungeduldig. Er sollte auf Anti-Killer-Streife sein und sich nicht ein Tauziehen mit einem künstlichen Bein liefern.
    »Leck mich, mach das Ding ab!«
    Jonas richtete sich auf und ruckte kräftig an. Neil Randall rutschte unter der Wucht des Rucks auf dem Rücken vom Bordstein auf die Straße, doch sein Bein stak weiterhin in seiner Jeans.
    »Pass auf, meine Scheißbirne!«

    »Soll ich’s jetzt rausziehen oder nicht?«, wollte Jonas wissen.
    »Nein, lasses dran. Lassas Scheißteil einfach dran.«
    Jonas ließ das Bein los, und es landete platschend im Straßenmatsch. Sofort musste er daran denken, wie Marvel das Bein des toten Ponys fallen gelassen hatte.
    Das machte ihn zornig genug, dass er um Neil herumging und ihn unter den Armen packte.
    »Lass den Scheiß!«
    Jonas achtete nicht auf ihn und zog ihn wieder auf den Gehsteig und auf sein Haus zu, während Neil sich wand und um sich schlug. »Arschloch! Nimmdeinescheißflossenweg, du Arschloch!«
    Irgendetwas traf Jonas hart seitlich am

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