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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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jemanden umgebracht hat.«
    »Er ist durchgedreht«, meinte Marvel. »Ist unter dem Druck zerbrochen, dass seine Mutter gaga geworden ist. Hat Margaret Priddy höchstwahrscheinlich als so ’ne Art Probefahrt umgebracht, dann seine eigene Mutter. Und dann die Leute in der Sunset Lodge.«
    »Und warum?«, fragte Jonas. »Warum überhaupt noch jemanden umbringen, nachdem er seine Mutter getötet hat, wenn das das Problem war?«
    »Vielleicht hat er den Umkipppunkt überschritten«, meinte Marvel und freute sich, dass ihm das ohne Reynolds’ Hilfe eingefallen war. »Vielleicht haben sich einfach alle Schleusen geöffnet, nachdem er durchgedreht ist. Wir wollten ihn gerade festnehmen. In der Nacht der Sunset-Lodge-Morde ist er bei sich zu Hause aus einem Fenster geklettert. Wir haben Fußabdrücke auf dem Fensterbrett gefunden. Das haben Sie nicht gewusst, nicht wahr?«
    »Nein«, antwortete Jonas und dachte an die Stimme, die in eben jener Nacht aus den Schatten jenseits des Gartentors seinen Namen gerufen hatte, ihn in die eisige Kälte hinausgelockt hatte …
    Jonas!
    Es hatte sich angehört wie Danny.
    Aber das war doch ein Traum gewesen. Oder?
    Wenn du deinen Job nicht machst …
    Er hatte keine Ahnung, was Marvel meinte.
    … dann tue ich es für dich.
    Die Einsatzzentrale war eng und feucht und stank. Eine
flackernde Leuchtröhre sorgte dafür, dass er sich vorkam wie bei einem Stasi-Verhör.
    »Sir, selbst wenn ich glauben würde, dass er all diese Leute umgebracht hat, was ich nicht tue, warum sollte ich ihn decken?«
    »Ihr beide wart Freunde. Ich habe euch auf dem Fußballplatz gesehen, nachdem wir seine Mutter aus dem Bach gezogen haben. Gute Freunde, würde ich sagen. Wenn er etwas zu verbergen hatte, dann denke ich, Sie wussten entweder davon, oder Sie haben auch was zu verbergen.«
    »Und was?«, verlangte Jonas zu wissen. »Was verberge ich denn?«
    »Sagen Sie’s mir«, konterte Marvel und lehnte sich mit einem Ausdruck verbissener Überzeugung auf seinem Stuhl zurück. »Als Erstes«, fuhr er fort, als er keine Antwort bekam, »sagen Sie mir mal, warum Sie Danny Marsh neulich vermöbelt haben.«
    » Er hat doch nach mir geschlagen!«
    »Dann nehmen Sie ihn in Gewahrsam. Und prügeln ihn nicht windelweich!«
    »Ich glaube, das ist ein bisschen übertrieben, Sir«, bemerkte Reynolds und weigerte sich, Marvel anzusehen, damit er nicht durch einen finsteren Blick zurechtgewiesen werden konnte.
    Jonas hörte ihn kaum. Er erinnerte sich an dieses Gefühl der Bedrohlichkeit, das von Danny ausgegangen war. Während er gelacht und von den alten Zeiten gescherzt hatte, war Jonas von Furcht überwältigt worden, hatte sich verzweifelt gewünscht, der andere möge ihn in Ruhe lassen und aufhören … Rückblickend schien das sehr dürftig.
    »Ich habe mich bedroht gefühlt, Sir«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Wenn ich überreagiert habe, dann deshalb.«
    »Warum haben Sie sich mit ihm verkracht?«
    Jonas war verwirrt. »Ver kracht?«
    »Als Sie beide klein waren.«

    »Als wir klein waren?« Jonas stieß ein kurzes Lachen aus.
    »Ja«, erwiderte Marvel mit todernster Miene. »Als sie elf waren, oder so in dem Dreh.«
    Jonas sah ihn verständnislos an.
    »Zehn oder elf. Ihr beide wart die besten Freunde. Und dann plötzlich nicht mehr. Was ist passiert?«
    Der Geruch nach Verbranntem … verbranntem Holz … verbranntem Haar … verbranntem Fleisch.
    Nur verwirrende Bruchstücke.
    »Ich weiß es nicht mehr, Sir.«
    »Blödsinn. Sie wissen es genau.«
    Jonas zuckte die Achseln. Er wusste es nicht. Er wollte es nicht wissen.
    Er sah sich um. Der enge Einsatzraum war schmuddelig und verdreckt. Er glaubte nicht, dass er in so einer Umgebung arbeiten könnte. An der Wand hing ein vier Jahre alter Kalender. Vor vier Jahren war Lucy auf den Händen die Treppe hinaufgelaufen. Vor vier Jahren war Jonas auf einem anderen Weg zu einem anderen Ziel gewesen. Vor vier Jahren käme ihm gerade recht, vielen Dank, also ließ er seine Gedanken dort verweilen und nicht hier, wo Lucy langsam starb, Danny tot war und DCI Marvel sich wie ein Arschloch aufführte.
    »… gesagt? Holly!«
    Blinzelnd kehrte Jonas zurück. »Was?«
    »Was haben Sie zu ihm gesagt?«
    »Zu wem gesagt?«
    »Zu Danny Marsh. Als er gestorben ist. Rice sagt, Sie hätten was zu ihm gesagt.«
    »Ich hab nichts gesagt.«
    »Blödsinn. Schon wieder.«
    Marvel schob seinen Stuhl von Jonas weg und ging zum Kühlschrank hinüber. Er öffnete ihn und holte

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