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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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eine Coladose heraus. Irgendein Billigzeug, keine echte Coca Cola.
    »Ich glaube, ich habe ›Danke‹ gesagt.«
    »Warum?«

    Jonas furchte die Stirn. »Ich weiß nicht.«
    Das war die Wahrheit. Er hatte keine Ahnung. Er hatte die Lippen von Dannys Mund gelöst und sie zu seinem Ohr gleiten lassen, ohne darüber nachzudenken, warum, oder was er sagen würde. Da war einfach etwas in ihm, das gesagt werden musste . Unbedingt. Und als er es gesagt hatte, hatte es sich richtig angefühlt.
    Jonas!
    Die Stimme am Tor, das war Danny Marsh gewesen, da war er sich sicher.
    Er hatte mit ihm reden wollen.
    Hatte Danny den Zettel für ihn hinterlassen?
    Wenn ja, was war das für ein Job, den er tun sollte?
    Das tote Auge des Ponys. Das Stechen von Heu an seiner Wange. Das Gesicht der Frau im staubigen Fenster…
    Pffft! Marvel öffnete die Coladose, und Jonas kam mit einem Ruck wieder zurück und stellte fest, dass der DCI und Reynolds ihn interessiert betrachteten.
    »Er ist tot, Holly. Sie können ihn nicht schützen. Nicht, wenn Sie sich einen Polizisten nennen wollen.«
    Jonas bekam keine Luft.
    Und so was nennt sich Polizist!
    Woher wusste er das? Woher wusste Marvel das? Er hatte ihm doch nie erzählt, was genau auf dem ersten Zettel gestanden hatte!
    Jonas saß da und starrte Marvel mit weit aufgerissenen Augen an, während sein Verstand ihn anschrie: Nicht glotzen! Sieh ihn nicht an! Sonst weiß er, dass du seinen Ausrutscher bemerkt hast! Doch er konnte sich nicht rühren, konnte nicht einmal die Augen bewegen.
    »Raus«, knurrte Marvel. »Ich rede morgen mit Ihnen.«
     
    Lucy Holly saß auf halbem Weg die Treppe hinauf auf den Stufen, als sie den Tod nahen fühlte.
    Dass sie starb, wusste sie schon seit einer ganzen Weile.
Jedes neue Symptom war eine Mahnung, dass sie nicht eines Tages einfach wieder gesund werden würde. Dass das da in ihr sich auf Dauer eingenistet hatte wie ein Psychopath im Gästezimmer und vorhatte, sie umzubringen. Dass Wahnsinn zur Routine geworden war.
    So aber hatte sie sich noch nie gefühlt.
    Tagsüber ging sie selten die Treppe hinauf und hinunter. Das war ein Unterfangen, das manchmal eine halbe Stunde dauern konnte. Jonas hatte eine Toilette in dem kleinen Schuppen gleich draußen vor der Hintertür installiert, die sie fast immer benutzte, außer wenn es sehr kalt war. Doch sie war um fünf Uhr früh aufgewacht und hatte Jonas nicht neben sich vorgefunden. Sofort hatte sie gewusst, dass sie nicht wieder einschlafen würde, also hatte sie sich im Dunkeln nach unten getastet, um Tee zu machen und sich ihr Buch zu holen. Und dann hatte sie beschlossen, mit beidem wieder ins Bett zu gehen.
    Auf der untersten Stufe hatte sie ihr Reisegepäck abgestellt  – die Teetasse, das Buch, eine neue Tube Zahnpasta und das Messer. Sie hatte Jonas versprochen, es immer bei sich zu haben, obwohl sie sich jedes Mal vorkam wie eine neurotische New Yorkerin, wenn sie es anfasste. Der Gedanke, jemandem mit dem Ding in der Hand die Tür öffnen zu müssen, erfüllte sie mit englischer Verlegenheit. Aber sie hatte es Jonas versprochen und dachte meistens auch daran, es von Zimmer zu Zimmer mitzunehmen, obgleich ihrer Ansicht nach eine größere Chance bestand, dass sie mit ihren Krücken umkippte und sich in die Klinge stürzte, als dass es nützlich sein würde, um einen Eindringling abzuwehren.
    Sie hatte die Krücken fürs Erdgeschoss ans Geländer gelehnt, sich auf der dritten Stufe niedergelassen und war zu ihrem kleinen Abenteuer aufgebrochen. Hatte alles immer eine Stufe höher gestellt, ehe sie sich selbst auf die nächste gehievt hatte. Dabei fand sie einen schönen Rhythmus  – lachte fast darüber, wie albern es war, so zu empfinden,
wenn man auf dem Hintern die Treppe hochrobbte. Es gab gute Tage wie diesen, wenn ihre Arme und Beine sich kräftiger anfühlten, und das freute sie immer wieder. Ehrgeizig, wie sie war, bewegte Lucy sich schneller und schneller. Die Sachen hochstellen, sich emporhieven, einen Schluck Tee trinken, hochstellen, hieven, einen Schluck Tee trinken … bis sie plötzlich abrutschte, zur Seite taumelte und mit Kopf und Arm schmerzhaft gegen die Wand prallte. Sie hatte die Hand auf Das Diktat des Schicksals gestützt, das die Treppe hinuntergerutscht war und jetzt aufgeschlagen im Flur lag, mit dem Buchrücken nach oben.
    »Scheiße!« Lucy biss sich auf die Lippe, während ihr Musikantenknochen sie grinsend dafür abstrafte, dass sie nicht aufgepasst hatte. Auch das

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