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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Kopf, so dass er zur Seite taumelte, auf ein Knie sank und dabei Neil Randall mit zu Boden zog. Beide ächzten bei dem Sturz, und Jonas’ Helm landete im Schnee.
    Benommen stützte er sich mit einer Hand ab und griff sich mit der anderen ans Ohr, während er die Straße hinauf-und hinunterspähte, wer ihn da geschlagen hatte.
    Einen Augenblick lang konnte er nicht erfassen, was er vor sich sah.
    Dann wurde alles grauenvoll klar.
    Über der schneebedeckten, orange überhauchten Straße hing Danny Marsh an etwas, das wie ein Bettlaken aussah. Sein ausschlagender Fuß war es, der Jonas am Ohr erwischt hatte.
    Wie im Traum erhob sich Jonas.
    Wie in einem Albtraum.
    »Mein Gott!«, stieß Neil Randall hervor.
    Eben schaute Jonas noch einfach nur zu, im nächsten Moment hatte er Dannys Schuhe und Knöchel mit seinen großen Händen gepackt und versuchte, ihn hochzustemmen und gegen die Mauer des Cottages zu drücken. Irgendjemand brüllte, laut und unverständlich, und Jonas wusste,
dass er das war, doch er hatte keine Ahnung, was er sagte, denn seine ganze Welt war ein einziges wirres Durcheinander, während er die Füße seines alten Freundes festhielt und versuchte, den Druck von dessen Hals zu nehmen, ihn am Leben zu erhalten. Immer wieder rutschte er ab … während Danny in der eiskalten Luft tanzte und sich wand.
    Jonas sah ein gelbes Licht und wusste, dass die Tür geöffnet worden war.
    Er hörte Leute rufen und auf ihn zustürzen.
    Verschwommen bekam er Elizabeth Rices Rufe mit, jemand solle nach oben ins Schlafzimmer laufen und Danny von dort aus hochziehen, und das Poltern von Männern, die die Treppe hinaufstürmten.
    Doch noch ehe sie auch nur das Fenster erreichten, verwandelte sich das Ausschlagen in krampfhaftes Zucken, und er spürte das heiße Rieseln von Pisse, die ihm in die Ärmel lief  – und Jonas Holly wusste, dass Danny Marsh tot war.
     
    Sie ließen ihn an seinem eigenen Bettlaken aus dem Fenster herab. Jonas erinnerte sich an ein weniger tödliches Kinderabenteuer und fühlte, wie der Körper seines Freundes fest durch seine Arme glitt. Sein Kopf pendelte haltlos, und seine Knie knickten ein, als seine Füße den Gehsteig berührten.
    Jonas kniete neben ihm im eisigen Schnee und bearbeitete die noch warme Brust, hielt die noch warme Nase zu und presste die Lippen auf die des Sohnes, so wie er es bei der Mutter getan hatte. Die ganze Zeit sah Neil Randall mit weit aufgerissenen Augen zu, auf die Ellenbogen gestützt und mit einem zwei Meter langen Bein.
    Zu spät. Zu spät. Zu spät. Die Worte tickten wie eine Uhr in seinem Kopf, leise und ruhig, und schließlich hörte Jonas sie. Und von irgendwoher holte sein vernachlässigtes Gedächtnis den Fakt hervor, dass das Hören die letzte Sinneswahrnehmung ist, die von dem sterbenden Bewusstsein weicht.

    Er hörte mit den Wiederbelebungsversuchen auf und beugte sich stattdessen  – zum zweiten Mal an diesem Abend  – so dicht zu einem warmen Ohr, dass er fühlen konnte, wie sein eigener warmer Atem daran abprallte.
    »Danke«, sagte er.
    Dann stand Jonas Holly langsam auf und fragte, ob jemand den Notarzt gerufen hätte.
    Sie hatten es getan.
    Er zog seine Jacke aus, legte sie über Danny Marshs Gesicht und bat die Leute zurückzutreten.
    Sie taten es.
    Er sah Alan Marsh aus dem Haus kommen, sah, wie sich seine Augen verdrehten und seine Knie nachgaben, so wie die seines toten Sohnes es nur Augenblicke zuvor getan hatten. Dann hörte Jonas das leise Knirschen, als der Kopf des Mannes fast lautlos in den Schnee fiel.

    »Was wissen Sie davon?«
    Stumm starrte Jonas den Zettel an, den sie in Dannys Zimmer gefunden hatten, dann schüttelte er langsam den Kopf.
    »Nichts«, sagte er.
    Es war drei Uhr morgens. Sie befanden sich in der mobilen Einsatzzentrale. Der Krankenwagen hatte Dannys Leichnam fortgebracht. Jonas’ Ärmel waren noch immer bis zu den Achselhöhlen hinauf nass von Pisse, er spürte es jedes Mal, wenn er sich bewegte, und roch es jedes Mal, wenn er Atem holte.
    »Blödsinn«, behauptete Marvel. »Sie haben die ganze Zeit gewusst, dass er es war.«
    »Das ist nicht wahr!«
    Es war nicht wahr! Schon bei der Vorstellung, dass Marvel
das auch nur denken könnte, stieg Panik in Jonas auf! Er war Polizeibeamter, und wenn er von einem Vergehen erfuhr, dann würde er handeln  – ganz gleich, wer sich etwas hatte zuschulden kommen lassen.
    Mit Ausnahme von Lucy.
    Wahrscheinlich.
    Aber das war alles!
    »Ich glaube nicht, dass Danny

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