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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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schneller schlug und Adrenalin in seine Eingeweide schoss.
    Trotz seines Berufs war es lange her, dass Marvel je tatsächlich in Gefahr gewesen war. Gemäß der Natur ihrer Arbeit tauchten Mordermittler erst auf, wenn der Mörder die Tat bereits begangen hatte, und rekonstruierten das Verbrechen.
Gewiss, manchmal war der Täter noch am Tatort  – in Gestalt eines volltrunkenen Teenagers oder eines Ehemannes, der durchgedreht hatte und bereits dabei war, ein Geständnis abzulegen. Unmittelbar in Gefahr war Marvel jedoch so selten gewesen, dass er große Mühe gehabt hätte, sich zu erinnern, wann dergleichen zum letzten Mal passiert war.
    Jetzt erschreckte es ihn, wie nervös er war. Wie sein Atem plötzlich viel zu kurz und zu geräuschvoll ging, und wie ihm plötzlich bewusst wurde, wie laut er war! Seine Schuhe knarrten, seine Handfläche quietschte auf dem Geländer, sein wadenlanger Mantel schabte an der Raufasertapete entlang. Alles verriet ihn. Und in gewisser Weise wollte er es auch so. In gewisser Weise wollte er, dass derjenige, der gerade versuchte, sich Zutritt zum Schauplatz des Mordes an Margaret Priddy zu verschaffen, ihn hörte und sich davonmachte. Dann konnte Marvel die Haustür öffnen und streitlustig die schmale Straße hinauf- und hinunterblicken und so tun, als bedauere er es, dass er diese Gelegenheit verpasst hatte.
    Jäh fiel ihm wieder ein, was für ein Ende eine Menge Leute in Quentin-Tarantino-Filmen nahmen.
    Er erreichte die unterste Stufe, den düsteren, gefliesten Flur, musterte das Schloss der Haustür  – ein stinknormales Sicherheitsschloss  – und stellte sich breitbeinig hin, um das Gleichgewicht besser halten zu können. Dann hob er die Hände und sah, dass sie zitterten wie die eines Säufers. Draußen war abermals das Kratzen zu vernehmen. Ein leises Wispern von Stoff auf der anderen Seite der Tür. Marvel hielt den Atem an. Er brauchte nur ganz leise den Knauf zu drehen, fest zuzupacken und die Tür mit einem kräftigen Ruck aufzureißen…
    Der Messingknauf rutschte aus seinem verschwitzten Griff, die Tür knallte gegen seinen Fuß und prallte zurück, so dass er unwillkürlich die Augen schloss. Er griff danach und klemmte sich die Fingerspitze zwischen Türblatt und Rahmen;
eine Schmerznadel zuckte wie ein Stromschlag Schulter und Nacken hinauf.
    Scheiße!
    Endlich bekam Marvel die Tür zu fassen und fing sich wieder.
    Jonas Holly stand mit schuldbewusster Miene auf der Türschwelle und drückte drei Milchflaschen an die Brust.
    »Was zum Teufel machen Sie denn da?«
    Marvel knallte die Haustür hinter Jonas zu und stapfte durch das düstere Haus in die Küche. Dabei verwandelten sich Furcht und Schmerz übergangslos in Wut, die noch durch die Angst angefacht wurde, der junge Mann könnte die Panik in seinem Gesicht gesehen haben, in jenen paar Sekunden, die er gebraucht hatte, um die Tür aufzubekommen, wie ein mieser Amateurzauberer, der einen Taschenspielertrick versaut.
    Jonas folgte, wie es die zornigen Schritte des DCI von ihm verlangten, noch immer mit den eiskalten Flaschen in den Händen.
    In der Küche fuhr Marvel auf ihn los.
    »Ich verlange eine Erklärung.«
    Stockend erklärte Jonas das Problem mit Will Bishop, dem unerbittlichen Milchmann. Dabei versuchte er, die Stimmung mit dem Wirbelsturm-Witz ein bisschen aufzulockern, doch das brachte nichts. Er fand mit der Anmerkung zurück ins richtige Gleis, dass das Absperrband nichts anderes bewirkte, als die Dorfjungen herauszufordern, darunter hindurchzukriechen und den Nachbarn auf die Nerven zu gehen. Dann bot er Marvel kameradschaftlich einen Ausweg in Gestalt einer Bemerkung, dass jeder im Dorf verständlicherweise nervös sei, wo doch der Mörder noch frei herumlaufe. Marvel ignorierte die Kameradschaftlichkeit und den Ausweg.
    Und so  – da er wirklich nicht wusste, was er noch Nützliches sagen konnte  – machte Jonas Holly einen gravierenden Fehler.

    Er entschuldigte sich.
    »Es tut mir leid, Sir«, sagte er, »wenn ich Sie erschreckt habe.«
    Die knackige Assistentin mit dem Schwert im Bein, das tote Kaninchen im Zylinder.
    »Sie haben mich nicht erschreckt, Sie Scheiß-Vollidiot! Ich hätte Sie bloß fast kaltgemacht, das ist alles! Sie haben ja keine Ahnung, wie verdammt knapp das war!« Marvel rumpelte um den Resopaltisch herum und hielt Daumen und Zeigefinger eine Haaresbreite voneinander entfernt dicht vor Jonas’ Nase.
    »So knapp! So verdammt knapp!«
    »Ja, Sir.« Jonas war

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