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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze
Autoren: Belinda Bauer
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fallen wie von gerissenen Lotschnüren, und die Jungen erhoben sich gleichzeitig und eilten davon. Marvel klappte den Mantelkragen um die Ohren hoch und wagte sich auf das Gras hinaus. Vorbei an Margaret Priddys Cottage und hinten um den Garten herum, der mit verbogenem Schafdraht und Betonpfosten eingezäunt war. Und im Augenblick außerdem mit einem Streifen Polizei-Absperrband, das irgendjemand Übereifriges um das ganze Haus samt Garten geschlungen hatte wie um ein Geburtstagsgeschenk. Wahrscheinlich Pollard. Der hatte nicht genug Phantasie für halbe Sachen.
    Der Zaundraht hing an mehreren Stellen schlaff zwischen den Pfosten herab, und es bereitete Marvel keine Mühe darüberzusteigen. Dabei fiel ihm auf, dass seine stumpfbraunen Halbschuhe vor Nässe dunkel wurden, und er nahm sich vor, sich Stiefel anzuschaffen. Dann ging er durch den verwilderten Garten und bemühte sich dabei einigermaßen lachhaft, nicht ins nasse Gras zu treten. Er kam an geborstenen Terracotta-Blumentöpfen vorbei, aus denen tote Wurzeln ragten, an einem Haufen alter metallener Türleisten und an ein paar an den Zaun gedrückten Plastiktüten. Ein baufälliger Zwinger kündete von einem ehemaligen Hund. Wie aufs Stichwort begann ein kleiner brauner Terrier nebenan, ihn anzubellen. Das Tier rannte am Zaun auf und ab, als wolle es durchbrechen und Marvel in Stücke reißen, dabei reichte es ihm kaum bis ans Schienbein.
    »Ver piss dich!« Marvel machte zum Schein einen Ausfallschritt auf den Hund zu, und der Terrier quietschte und sauste hinter einen Gartenschuppen, von wo aus er knurrend herüberspähte.

    »Große Klappe und nichts in der Hose«, brummte Marvel, dann taumelte er fluchend zur Seite, um nicht in etwas zu treten, das wie Erbrochenes aussah. Einen Augenblick lang stand er da und starrte die Lache an, im Gras zwischen der Hintertür und dem an die Hauswand angebauten Schuppen, während große nasse Eistropfen wie kleine Meteoriten darauf niedergingen. Kotze! Am Tatort war Kotze, und niemand hatte sie gesehen! Nicht gerade überraschend  – eigentlich konnte man das Zeug nur sehen, wenn man direkt von oben draufschaute; es war wie moderne Kunst in das ungepflegte, büschelige Gras gekleckert. Marvel bückte sich darüber, schützte es vor den Graupeln; dann wurde ihm klar, dass er das nicht würde durchhalten können, bis jemand vom Labor hier wäre. Sie hatten Glück, dass das Wetter ziemlich trocken gewesen war, seit die Leiche gefunden worden war.
    Eine alte Mülltonne aus Metall lag umgekippt da, und er sah sich nach dem Deckel um. Als er ihn fand, legte er ihn vorsichtig über die Kotzlache.
    Dann zog er sein Handy hervor und funkelte die fehlenden Netz-Balken auf dem Display wütend an. Er hatte festgestellt, dass die Dinger anscheinend nach Belieben kamen und gingen; manchmal blieben sie stundenlang, dann wieder blinkten sie kurz und spöttisch auf und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.
    Scheißpampa.
    Marvel schaute zum Schlafzimmerfenster hinauf. Von hier aus konnte er sehen, wie leicht es für den Mörder gewesen war, ins Haus zu gelangen. Der grüne Müllcontainer, der als Trittleiter gedient haben musste, war sorgfältig verpackt und ins Labor geschickt worden. Sein Blick folgte dem offenkundigen Weg vom Schuppendach zum Fenster. Man musste gut in Form sein, um sich da hochzuziehen, das Fenster aufzubrechen und sich dann übers Fenstersims zu schwingen, Superman jedoch brauchte man nicht unbedingt zu sein.
    Marvel drückte versuchsweise auf die Klinke der Hintertür,
und ihn packte kurz der Zorn, als sie aufging. Er würde herausfinden, wer dafür zuständig gewesen war, das Haus zu sichern, und ihn ordentlich zusammenstauchen.
    Innen fühlte sich das Cottage bereits verlassen an. Die Küche, wo er und Reynolds erst gestern Tee getrunken hatten, war jetzt kalt und schmuddelig. Ihre Becher standen noch in der Spüle, mit Teeresten drin. Marvel fragte sich, ob Peter Priddy wohl die Jaffa-Kekse gefunden hatte, nachdem sie gegangen waren.
    Er versuchte es mit dem Lichtschalter, und das Licht ging an, allerdings kam es ihm trübe und schwach vor.
    Im Obergeschoss stand er in der Schlafzimmertür und starrte mehrere Minuten lang das Bett an, wo Margaret Priddy gestorben war. Die Bettwäsche war abgezogen und ins Labor gebracht worden. Alles, was übrig war, war eine blaue Matratze mit einem alten, gelb-braunen Fleck darauf. Auf dem Nachttisch stand eine Lampe mit einer angeschlagenen Gipsputte als Fuß
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